Mannlicher, Ferdinand von (1848-1904), Waffentechniker

Mannlicher Ferdinand von, Waffentechniker. * Mainz (Rheinland-Pfalz), 30. 1. 1848; † Wien, 20. 1. 1904. Sohn eines k. k. Ober-Feldkriegskoär., der einer alten Bürgerfamilie aus Brüx (Böhmen) entstammte; kam 1857 nach Wien, stud. an der Techn. Hochschule Maschinenbau und trat 1869 in den Dienst der k. k. privilegierten Südbahnges. Nach kurzem Wirken bei der Staatseisenbahnges. wurde er in das Konstruktionsbüro der k. k. privilegierten Nordbahnges. berufen, wo er bis 1887 blieb, um sich dann ausschließlich mit Waffentechnik zu befassen. Sein Hauptinteresse galt dem Problem des Hinterlader-Repetiergewehres. Bei einem Besuch der Säkularausst. 1876 in Philadelphia hatte M. Gelegenheit, im Patent Office ca. tausend Konstruktionsbeschreibungen und Modelle von Handfeuerwaffen zu stud. Diese Kenntnisse nützte er für seinen ersten, dem „technisch-administrativen Militär-Comité“ 1879 vorgelegten Modell-Entwurf, dem in rascher Folge geänderte und verbesserte Arbeiten folgten, so daß das erste in Österr.-Ungarn bei der Inf. und den Feldjägerbaon. eingeführte Repetiergewehr M.(uster) 86 (Kaliber 11 mm) von M. stammte, welches schon zwei Jahre später auf Anordnung des Armeeoberkmdo. auf das verkleinerte Kaliber von 8 mm – M. 88 – umgearb. wurde. Nach Einführung der Patrone mit rauchschwachem Pulver entstand durch die notwendigen Veränderungen das M. 88/90. Die österr.-ung. Kav. wurde mit dem gleichfalls von M. stammenden Repetierkarabiner M. 90 bewaffnet. Auch mit der Entwicklung von Selbstladegewehren, sog. Halbautomaten (1885–1900), war M., dem damaligen Stand der Waffentechnik entsprechend, sehr erfolgreich. Alle diese techn. Veränderungen und Neuerungen wurden in den Werken der Österr. Waffenfabriks-Ges. in Steyr (OÖ) sowie in deren Zweigwerk in Budapest durchgeführt; sie waren die Handfeuerwaffen der österr.-ung. Armee und der Marine während des Ersten Weltkriegs und allen Konstruktionen anderer Armeen in jeder Hinsicht gleichwertig. Techn. voll ausgebildet, war M. – obgleich nie Soldat – der zielstrebigste und wohl erfolgreichste österr. Waffentechniker. Vielfach geehrt und ausgezeichnet, u. a. 1892 nob., 1899 lebenslängliches Mitgl. des Herrenhauses.

W.: Repetiergewehre: mit Zylinderverschluß und Patronenmagazin im Kolben, 1880; mit Zylinderverschluß und ansteckbarem Magazin, 1881; mit abgeändertem Magazin, 1882; mit Patronenmagazin im Vorderschaft, 1882; mit an der linken Verschlußhülse schräg aufsetzbarem Patronenmagazin, 1882; mit verbessertem Verschluß, 1884; mit Zylinderverschluß für Geradezug und festem Kastenmagazin, 1885 (Prototyp für alle späteren Modelle); Kaliber 11 mm, 1886 (erstes bei der k. u. k. Inf. und den Jägerbaon. eingeführtes Repetiergewehr); Kaliber 8 mm, 4 Züge, Einheitspatrone mit Messinghülse und Stahlmantel-Ogivalgeschoß, 1888, Lizenzerzeugung in Deutschland; mit berichtigter Visiereinrichtung für die neue Patrone mit rauchschwachem Pulver, 1888–90; mit geringen Abänderungen bei der Schäftung, Gewicht, etc., 1894–96. Repetierkarabiner mit Geradezugverschluß, 1890, Varianten für Italien, Frankreich und die Schweiz. Repetierpistole mit gleitendem Lauf und Magazin für 7 Patronen vor dem Abzugbügel, 1896, mit sehr kurzem Verschluß, feststehendem Kastenmagazin für 8 Patronen im Griff, Kaliber 8 mm, 1900, beide nur Prototypen.
L.: Wr. Ztg. vom 20. 1., N. Fr. Pr. vom 20. und 21. 1. 1904; Militär-Wochenbl., Jg. 89, 1904, S. 401 ff.; Schuß und Waffe, Jg. 8, 1914/15, S. 98 ff.; Alten (mit Werksverzeichnis); E. Hartmann, Kurzgefaßtes Militär-Hand-Wörterbuch für Armee und Marine, 1896, S. 577; Knauer; Biograph. Jb., 1906, 1907; Masaryk; Otto 16, 28; K. v. Kromar, Repetier- und automat. Handfeuerwaffen der Systeme F. Ritter v. M., 1900; E. Zernin, Die Repetir-Gewehre, ihre Geschichte, Entwicklung etc., Bd. 2, 1886; A. Dolleczek, Monographie der k. u. k. österr.-ung. blanken und Handfeuer-Waffen etc., 1896, S. 114 f.; J. Lugs, Handfeuerwaffen, 2. Aufl. 1969, S. 194 ff., 447 f.; Großind. Österr., Bd. 3, S. 142 f.; V. Schützenhofer, J. Werndl, der Mann und sein Werk, in: Bll. für Techn. Geschichte, H. 5, 1938, S. 51, 55 f., 58; Archiv der Stadt Wien.
(W. Hummelberger)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 6 (Lfg. 26, 1973), S. 57f.
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