Mattuš, Karel (1836-1919), Politiker

Mattuš Karel, Politiker. * Münchengrätz (Mnichovo Hradiště, Böhmen), 21. 5. 1836; † Prag, 22. 10. 1919. Sohn eines herrschaftlichen Arztes, Vater des Vorigen; stud. an der Univ. Prag 1855–59 Jus, 1861 Dr.jur. Nach Notariats- und Gerichtspraxis in seinem Heimatort 1862 Auskultant am Landesgericht in Prag. 1863 wandte er sich der Advokatur zu. 1864–1868 Gemeindesekretär, 1870–89 Bürgermeister von Jungbunzlau, 1866–70 und 1873–93 Landtagsabg., 1879–90 Reichsratsabg. M. gehörte zur jüngeren Generation der polit. Funktionäre, die ihre Erfahrungen aus dem student. Vereinsleben in die Politik mitbrachten und von den Freiheits- und Demokratisierungsideen, wie sie das Revolutionsjahr 1848 proklamiert hatte, stärker beeinflußt waren. Seine polit. Lehrjahre verlebte er im Kreis um R. Fürst v. Thurn u. Taxis, der im Jungbunzlauer Gebiet einen großen polit. Einfluß hatte und durch seinen entschiedenen polit. Radikalismus eine suggestive Wirkung ausübte. 1870 legte M. sein Landtagsmandat nieder, nachdem er mit seiner Ansicht über die bedingte Beschickung des Reichsrates nicht durchdringen konnte. 1873 exponierte er sich in der gleichen Frage, fügte sich jedoch dem Beschluß der Klubmehrheit und befestigte dadurch seine polit. Position im nationalen Lager, welches damals noch von der Autorität Palackýs und Riegers beherrscht wurde. Er wurde in die polit. Leitung des Abgeordnetenklubs gewählt und als die tschech. Abg. 1879 in den Reichsrat eintraten, vermochte er endlich auch im eigentlichen Parlamentsleben zu wirken. Seine Tätigkeit in Ausschüssen und Komm. (u. a. war er 1883–89 Generalberichterstatter für das Budget, 1883–89 und 1903 in den Delegationen) festigte seine Position im tschech. polit. Leben, was auch sein sich stets vertiefendes enges Verhältnis zu Rieger zeigte, dessen vertrauter Berater er war. Um M. konzentrierten sich sowohl die zahlreichen, wirkungslosen Versöhnungsversuche zwischen Jung- und Alttschechen einerseits als auch die Versuche, im Interesse des sog. nationalen Ausgleichs im Lande Kontakte mit den Dt. in Böhmen anzuknüpfen. Ab 1888 führte M. allein, ab 1889 gem. mit Rieger, Verhh. mit Schmeykal und Plener und nahm an den Verhh. über die sog. Punktation teil, die den Fall der alttschech. Partei herbeiführte. Ab 1889 war er Oberdir. der Landesbank, deren Organisierung und Konsolidierung er seine letzten Lebensjahre widmete. Dem geringen Einfluß der alttschech. Partei entsprechend, in der er nach Riegers Tod eine führende Stellung hatte, wirkte er nur noch indirekt im polit. Geschehen. Ab 1899 Mitgl. des Herrenhauses, 1912 Präs. des Volkswirtschaftlichen Inst., übernahm er noch 1917 den Vorsitz im Nationalausschuß, der von den tschech. polit. Parteien gebildet wurde. M. entfaltete auch eine umfangreiche journalist. Tätigkeit. In seiner Jugend schrieb er Beitrr. für die Z. „Lumír“, Šimačeks „Posel z Prahy“ (Bote aus Prag) und war 1860–65 Chefred. der Z. „Boleslavan“.

W.: Historické právo a národnost jako základové stát. zřízení říše rakouské (Das hist. Recht und die Nationalität als Grundlage der Staatsordnung Österr.), 1867; Několik myšlenek o českém státu (Einige Gedanken über den tschech. Staat), 1870; Řeči a jednání ve sborech zákonodárných (Reden in den gesetzgebenden Kammern), 1900; Paměti (Erinnerungen), 1921; Abhh. in Lumír und Posel z Prahy. Red.: Boleslavan, 1860–65.
L.: Zprávy Národohospodářského ústavu 1907–11, 1919; Právník, Jg. 58, 1919, S. 378; Obzor národohospodářský, Jg. 21, 1916, S. 297, Jg. 24, 1919, S. 426; M. Navrátil, Almanach československých právníků (Almanach tschechoslowak. Juristen), 1930; S. Hahn, Reichsraths-Almanach für die Session . . . (1879/80, 1885/86), 1879, 1885; Knauer; Masaryk; Otto 16, Erg.Bd. IV/1; A. Bráf, Paměti z mého života (Erinnerungen aus meinem Leben), 1921; Uzpominky na Dr. K. M. (Erinnerungen an Dr. K. M.), 1929.
(K. Kučera)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 6 (Lfg. 27, 1974), S. 150f.
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