Mühlbacher, Engelbert (1843-1903), Historiker

Mühlbacher Engelbert, Can. reg., Historiker. * Gresten (NÖ), 4. 10. 1843; † Wien, 17. 7. 1903. Trat 1862 in das Augustiner Chorherrenstift St. Florian ein und erhielt 1867 die Priesterweihe. Durch die Verkündung des Infallibilitätsdogmas theolog. verunsichert und seit jeher hist. interessiert, stud. er ab 1872 bei Ficker (s. d.) in Innsbruck Geschichte, wurde dort 1874 zum Dr. phil. prom., im gleichen Jahr mit der Bearb. der Karolingerregesten betraut und habil, sich 1878 für Geschichte des Mittelalters und hist. Hilfswiss. Seinem akadem. Lehrer und dem großen Kreis der Fickerschüler blieb er zeitlebens verbunden. 1874–76 unter Sickel ao. Mitgl. des Wr. Inst. für österr. Geschichtsforschung, beteiligte sich M. 1879 maßgeblich an der Gründung von dessen Mitteilungen, die unter seiner Red. zu einer der angesehensten dt.sprachigen hist. Z. aufstiegen. Ab 1881 ao. Prof. an der Univ. Wien mit ausgedehnter akadem. Lehrtätigkeit (Schwerpunkte Paläographie und Diplomatik), wurde er erst 1896 o. Prof., als er die Dion. des Inst. übernahm. Die von M. durchgeführte Reorganisation des Inst. hat mit geringen Modifikationen bis heute Geltung; unter seiner Leitung erreichte das Inst. einen Höhepunkt internationalen Ansehens. Von der Fülle seiner wiss. Veröff. sind bes. seine Arbeiten über die Karolingerzeit von grundlegender Bedeutung: zunächst die Ausgabe der Karolingerregesten, die noch zu seinen Lebzeiten eine 2. Aufl. erlebten, dann – mit Mitarbeitern, zu denen Tangl und Dopsch zählten – der Karolingerdiplome. Von der Urkundenkritik kommend, der M. in Verbindung der Schulen Fickers und Sickels method. neue Wege wies, zeigte er sich in seiner „Deutschen Geschichte unter den Karolingern“ auch als Meister der Darstellung. An den Arbeitsunternehmungen der Akad. der Wiss., wie an Begründung und Betreuung der Komm. für neuere Geschichte Österr., des Hist. Atlas der österr. Alpenländer, der Edition mittelalterlicher Bibl. Kataloge und österr. Urbare hatte er entscheidenden Anteil. Vielfach geehrt und ausgezeichnet, u. a. 1891 w. Mitgl. der Akad. der Wiss. in Wien, Mitgl. der Zentraldion. der Monumenta Germaniae Historica etc.

W.: Die streitige Papstwahl des Jahres 1130, 1876; Die Datierung der Urkunden Lothars I., in: Sbb. Wien, phil.-hist. Kl., Bd. 85, 1877; Die Urkunden Karls III., ebenda, Bd. 92, 1878; Die Regesten des Kaiserreiches unter den Karolingern 751–918, nach J. F, Böhmer neu bearb., 1889, 2. Aufl., 2 Tle., 1899–1908; Kaiserurkunde und Papsturkunde, in: MIÖG, Erg.Bd. 4, 1893; Dt. Geschichte unter den Karolingern, 2 Bde., 1896; Eine Urkunde Karls v. Burgund, in: Neues Archiv für ältere dt. Geschichtskde., Bd. 25, 1900; Die Treuepflicht in den Urkunden Karls des Großen, in: MIÖG, Erg.Bd. 6, 1901; Die literar. Leistungen des Stiftes St. Florian bis zur Mitte des 19. Jh., hrsg. von O. Redlich, 1905; zahlreiche Sammelreferate, Artikel für die ADB und Rezensionen; etc. Hrsg.: Gerhochi Reichersbergensis ad cardinales de schismate epistola, in: AfÖG, Bd. 47, 1871; etc. Red.: MIÖG, Bd. 1 ff., 1880 ff.
L.: Neue Tiroler Stimmen, 1878, n. 30; Wr. Ztg. vom 17. 7., N. Fr. Pr. vom 18., 22. und 23. 7., RP vom 21. 7. 1903; Steir. Z. für Geschichte 1, 1903, S. 113 ff.; Česky časopis historický, Jg. 9, 1903, S. 482 f.; MIÖG, Bd. 25, 1904, S. 201 ff.; Hist. Vjs., Jg. 7, 1904, S. 133 ff.; Carinthia I, Jg. 94, 1904 S. 31 f.; Neues Archiv der Ges. für ältere dt. Geschichtskde., Bd. 29, 1904, S. 266 ff.; Almanach Wien, 1904; Linz aktiv 24, 1967, S. 34; B. O. Cernik, Schriftsteller der Augustiner-Chorherrenstifte Österr., 1905 S. 160 ff. (mit Bibliographie); Buchberger; Enc. Catt.; Krackowizer; Santifaller, n. 67; Lhotsky, Inst., bes. S. 169, 201 ff., 216 ff.
(H. Dienst)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 6 (Lfg. 30, 1975), S. 405f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>