Müller(-Guttenbrunn), Adam; Ps. Ignotus, Franz Josef Gerhold, Vetter Michel (1852-1923), SchriftstellerMüller(-Guttenbrunn) Adam, Ps. Ignotus, Franz Josef Gerhold, Vetter Michel, Schriftsteller. * Guttenbrunn (Zăbrani, Banat), 22. 10. 1852; † Wien, 5. 1. 1923. Vater des Schriftstellers und Journalisten Herbert M.-Guttenbrunn (s. d.); kam 1870 nach Wien und wirkte ab 1873 als k. k. Telegrapheneleve in Linz, wo seine ersten literar. Versuche von O. Prechtler gefördert und seine ersten Schauspiele gedruckt wurden. Von Laube (s. d.) ermutigt, zog M. 1880 nach Wien, wo seine Stücke aufgeführt wurden. Er veröff. Streitschriften zu Fragen der österr. Dramatik und Kultur, fand 1886 als Feuilletonred. der „Deutschen Zeitung“ eine gesicherte Existenz und setzte sich für die Schaffung einer Volksbühne und eines dt.-national orientierten Volksbildungsver. ein. 1893 übernahm er die Leitung des Raimund-Theaters, wurde 1896 jedoch abgesetzt. M. gründete das 1898 eingeweihte K. Jubiläums-Stadttheater (heute Volksoper), wo er seine Pläne zur Förderung eines „deutschgesinnten“ Repertoires und zur Organisierung von billigen „Volksvorstellungen“ zu verwirklichen suchte. 1903 trat er aber zurück, um sich weiterhin als Feuilletonist (insbes. des „Neuen Wiener Tagblatts“), Erzähler, Romanschriftsteller und Hrsg. zu betätigen und polit. als Vertreter alldt. Tendenzen zu wirken. Hatte sich M. in den ersten 30 Jahren seines Schaffens nur gelegentlich mit dt. Fragen im Banat – so in den „Deutschen Kulturbildern . . .“ – beschäftigt, so wurde er in seiner letzten schöpfer. Periode zum „Erzschwaben“, wie er meist genannt wird. Er schrieb zeitgenöss. Romane, hist. Tendenzromane – so die Einwanderungs- und die Lenau-Tril.-, dazu bestimmt, das Selbstbewußtsein seiner Landsleute zu stärken, und gab Anthol., Kalender und Streitschriften heraus, um die Schwaben in die Literatur einzuführen.
W.: Wien war eine Theaterstadt, 1885; Dramaturg. Gänge, 40 Aufsätze, 1892; Im Jh. Grillparzers, Literatur- und Lebensbilder aus Österr., 1893; Dt. Kulturbilder aus Ungarn, 1896; Das Raimund-Theater, 1897; Zwischen zwei Theaterfeldzügen, 1902; Götzendämmerung, ein Kulturbild aus dem heutigen Ungarn, 1908, 2. Aufl. 1910; Völkerkrieg! Österr. Eindrücke und Stimmungen, 1915; Alt-Wr. Wanderungen und Schilderungen, 1916; Dt. Leben in Ungarn, 1917; Dt. Sorgen in Ungarn, 1918; Wohin gehört Westungarn?, 1919; Altösterr., 1922; Erinnerungen eines Theaterdir., hrsg. von R. Meinhart, 1924; etc. Dramen: Judith, 1877; Aus Polenkreisen, 1906; etc. Romane: Frau Dornröschen, 1884, 2.–4. Aufl. 1885; Die Dame in Weiß, 1907, Neuaufl. 1919; Es war einmal ein Bischof, 1912; Von Eugenius bis Josephus, ein dt. Jh. in Österr., 3 Bde., 1913–17, 2. Aufl., Bd. 1–2, 1917; Meister Jakob und seine Kinder, 1918, Neuaufl. in: Neuer Weg vom 23. 5.–1. 8. 1968 (autobiograph.); Lenau das Dichterherz der Zeit, 3 Bde., 1919–21, 2. Aufl., Bd. 1, 1921; etc. Novellen und Erzählungen: Gescheiterte Liebe, 1889; Die Magyarin, 1896; Der kleine Schwab, Abenteuer eines Knaben, 1910, 5. Aufl. 1973 (autobiograph.); Die Ährenleserin, 1911; Dt. Kampf, 1913; Das idyll. Jahr, ein Sommerbuch, 1914; Die schöne Lotti und andere Damen, 1920; Aus herbstlichen Gärten, 1922; etc. Hrsg.: Kalender des Dt. Schulver., 1887–92; Trotz- und Trutzbüchleinder Dt. in Österr. (Gedichte), gem. mit G. Pawikowsky, 1888; Schwaben im Osten, ein dt. Dichterbuch aus Ungarn, 1911; Ruhmeshalle dt. Arbeit in der österr. Monarchie, 1916; etc.
L.: A. M.-G., Der Roman meines Lebens, hrsg. von R. Müller-Guttenbrunn, 1927; Dt. Tagespost (Hermannstadt) vom 10. 1. 1923; Neuer Weg vom 18. 11., 25. 11. und 2. 12. 1955, 18. 4. 1967 und 10. 10. 1969; Magazin für Literatur 59, 1890, n. 44; Das Literar. Dt.-Österr. 2, 1901, n. 3; Die Quelle 6, 1912, n. 5–6; Ostland 3, 1921, S. 465 ff.; Jb. der Stadt Linz, 1953, S. 249 ff.; Banater Monatshe. 1, 1934, n. 6–8; Südostdt. Heimatbll. 1, 1952 n. 1–2; Neue Literatur 8, 1956, S. 104 ff.; Nemet filologiai tanulmayok 2, 1966, S. 71 ff.; Volk und Kultur 22, 1970, S. 42 ff.; F. E. Gruber, A. M.-G., der Erzschwab, 1921; F. Milleker, A. M.-G., sein Leben und Dichten, 1921; A. M.-G., der Mensch und sein Werk, Festschrift, hrsg. von B. Kremling, 1922; H. Weresch, A. M.-G. und seine Heimatromane, 1927; R. Hollinger, A. M.-G., der Erwecker des Donaudeutschtums, 1942; L. Pfniß, A. M.-G. Mensch und Werk, 1943; N. Britz, A. M.-G., ein Lebensbild aus fremden und des Dichters eigenen Schriften, 1966; Brümmer; Giebisch–Gugitz; Giebisch–Pichler–Vancsa; Kosch; Maderno; Nagl–Zeidler–Castle, Bd. 3–4, s. Reg.; A. Schmidt, Dichtung und Dichter Österr. im 19. und 20. Jh., Bd. 2, 1964, s. Reg.; Große Dt. im Ausland, hrsg. von H. J. Beyer und O. Lohr, 1939, S. 308 ff.; Groner.
(H. Stanescu)
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 6 (Lfg. 30, 1975), S. 407f.