Müller, Leopold Carl (1834–1892), Maler und Zeichner

Müller Leopold Carl, Maler und Zeichner. Geb. Dresden, Sachsen (D), 9. 12. 1834; gest. Weidlingau, Niederösterreich (Wien), 4. 8. 1892 (Ehrengrab: Wiener Zentralfriedhof); röm.-kath. Vorehelicher Sohn des Wiener Lithographen Leopold Müller (geb. Wien, 15. 11. 1807; gest. ebd., 28. 8. 1862) und der Josefa Bichler (geb. Marchegg, Niederösterreich, 2. 7. 1809; gest. Wien, 17. 5. 1860), ab 1836 verheiratete Müller, Bruder von →Marie Müller und der Malerin Bertha Müller (geb. Wien, 28. 10. 1848; gest. ebd., 26. 1. 1937), Onkel von →Josefine Swoboda und →Rudolf Swoboda d. J., Schwager von →Eduard Swoboda; ledig. – Nach Besuch der Realschule arbeitete M. kurzzeitig in der lithographischen Anstalt seines Vaters mit. 1851–62 studierte er an der Wiener Akademie der bildenden Künste bei →Karl von Blaas (Vorbereitungsschule) sowie →Christian Ruben (Meisterklasse für Historienmalerei; 1858 Reichel-Preis) und war seither eng mit →Ferdinand Laufberger befreundet. Er unternahm mehrere Studienreisen u. a. nach Venedig und Szolnok. Nach dem frühen Tod der Eltern musste er für seine fünf Schwestern sorgen und arbeitete deshalb 1862–67 als Karikaturist beim humoristischen Wochenblatt „Figaro“, 1867 besuchte er die Weltausstellung in Paris. Ab 1870 war er wieder als Maler tätig und unternahm zahlreiche Reisen. 1870–71 hielt er sich in Venedig auf (gemeinsames Atelier mit →August von Pettenkofer), im Winter 1871/72 bereiste er Sizilien mit längerem Aufenthalt in Palermo, im Winter 1873/74 erfolgte die erste Orientreise. Ab diesem Zeitpunkt verbrachte er die Winter wiederholt in Kairo, wo er ein eigenes Atelier unterhielt, den Sommer 1874 ein letztes Mal in Szolnok. Im selben Jahr entstand auch sein erstes großes Orientbild „Beduinenlager bei den Pyramiden“. Im Frühjahr 1875 folgte die zweite Ägyptenreise. Auf Betreiben von →Rudolf von Eitelberger-Edelberg erhielt M. den Staatsauftrag für den „Markt in Kairo“ (Österreichische Galerie Belvedere, Wien), an dessen Fertigstellung er bis 1878 arbeitete. Im Juli 1875 bewarb er sich erfolglos in London als Zeichner für die Indienreise des Prince of Wales. Vom November des Jahres bis April 1876 unternahm er seine dritte Ägyptenreise, einige Zeit davon gemeinsam mit →Carl Rudolf Huber, →Hans Makart und Franz von Lenbach. Zu dieser Zeit begann auch seine Mitarbeit an „Aegypten in Bild und Wort“ (erschienen 1879) von Georg Ebers. Anschließend hielt er sich bis Herbst 1877 in Venedig auf und knüpfte erste Kontakte zum angesehenen Londoner Kunsthändler Henry Wallis, der die meisten seiner Orientbilder zu hohen Preisen verkaufte, womit auch seine Geldsorgen endeten. Im Juni 1877 wurde er zum Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien ernannt, eine Stelle, die er erst im folgenden Jahr antrat, da er aufgrund einer weiteren Ägyptenreise (Oktober 1877 bis März 1878) beurlaubt wurde. Aus M.s Spezialschule für Historienmalerei gingen namhafte Orientmaler hervor, u. a. →Franz Xaver Kosler, →Johann Viktor Krämer und Charles Wilda. Im Jänner 1879 bereiste er zum fünften Mal Ägypten, begleitet von seinem Neffen und Schüler Rudolf Swoboda d. J., ein weiterer Aufenthalt folgte von Oktober 1880 bis März 1881 (Oberägypten bis zum zweiten Nilkatarakt, ein Monat in Assuan). Nach einer schweren Erkrankung erholte sich M. in Italien und absolvierte in den folgenden Jahren mehrere Kuraufenthalte in Karlsbad. Im September 1882 reiste er zu Wallis nach London, im Februar 1883 nach Kairo, im September nach Genua und an die ligurische Küste, Ende Dezember bis April 1884 gemeinsam mit seiner Schwester nach Ägypten sowie im September an die dalmatinische Küste. Der neunte und letzte, sehr produktive Aufenthalt in Kairo erfolgte von Dezember 1885 bis April 1886. Im Herbst des Jahres trat eine starke Beeinträchtigung des Sehvermögens auf, die er im Folgejahr durch eine Operation lindern konnte. Bis 1889 schuf er seine letzten Gemälde, danach erkrankte er schwer. M., der eng mit Ferdinand Laufberger befreundet war, fungierte 1890–92 als Rektor der Wiener Akademie der bildenden Künste und erhielt 1883 die Goldene Medaille der Internationalen Kunstausstellung in München, 1889 die Karl-Ludwig-Medaille sowie 1891 das Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft. Er war ab 1854 Mitglied des Albrecht-Dürer-Vereins und ab 1861 Mitglied der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus). M. war der führende Orientmaler der Donaumonarchie und zählte auch international zu den herausragendsten Künstlern dieses Genres. 1893 fand eine große Nachlassauktion mit 255 Nummern, größtenteils Orientbilder, im Wiener Künstlerhaus statt.

Weitere W. (s. auch L. C. M., 2011): Die Karawane, 1876 (Neue Galerie Joanneum, Graz); Markt in Kairo, 1878; Volksschule in Oberägypten, 1881, Nefusa, Bildnis eines Nubiers (alle Österreichische Galerie Belvedere, Wien); Hassan, Brustbild eines jungen Arabers, 1882; Ägyptische Tänzerin, Hammida (beide Wien Museum); Kamelmarkt in Kairo, 1889 (Oberösterreichisches Landesmuseum, Linz); Bildnis einer jungen Koptin (Neue Pinakothek, München).
L.: NFP, 5.–8. 8. 1892; ADB; Thieme–Becker; Wurzbach; G. Ebers, in: Die Kunst unserer Zeit 4, 1893, S. 57ff.; C. L. M. Ein Künstlerleben in Briefen, Bildern und Dokumenten, ed. A. F. Seligmann, 1922; G. Wimmer, in: Weltkunst 20, 1992, S. 2943ff.; H. Zemen, L. C. M. 1834–1892, 1996 (mit Bild); G. Wimmer, in: Orient, ed. E. Mayr-Oehring, Salzburg 1997, S. 57ff. (Kat.); H. Zemen, L. C. M. im Künstlerhaus. Die Orientbilder, 1998 (mit Bild); M. Haja – G. Wimmer, Les Orientalistes des Écoles allemande et autrichienne, 2000, S. 298ff.; H. Zemen, L. C. M. 1834–1892, 2. Aufl. 2001 (mit Bild); G. Wimmer, in: Orientalische Reise, Wien 2003, S. 64ff. (Kat.); L. C. M. 1834–1892. Sein künstlerischer Nachlass, 2011 (mit Bild und W.); W. Aichelburg, 150 Jahre Künstlerhaus Wien 1861–2011 (online, Zugriff 22. 6. 2020); ABK, Wien.
(G. Wimmer)   
Zuletzt aktualisiert: 15.12.2020  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 9 (15.12.2020)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 6 (Lfg. 30, 1975), S. 423f.
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Medien
Ein Sphinxgesicht von heute, Wien, Belvedere, Inv.-Nr. 242
Nefusa, Wien, Belvedere, Inv.-Nr. 3215
Schule in Oberägypten, Inv.-Nr. 4646
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