O’Sullivan de Grass Elisabeth Charlotte Gräfin, geb. Wolter, Ps. Charlotte Wolter, Schauspielerin. * Köln, 1. 3. 1834; † Wien, 14. 6. 1897. Tochter eines Schreibers; betrat 1844 in Köln in einer kleinen Tanzrolle erstmals die Bühne, ging sechzehnjährig als Choristin an das Stollwercksche Vaudeville-Theater in Köln und später an das Stadttheater in Düsseldorf. Nachdem sie in Wien bei Gottdank (s. d.) kostenlos Schauspielunterricht erhalten hatte, fand sie 1857 ihr erstes größeres Engagement als trag. Liebhaberin in Pest, wo sie lobende Kritiken erhielt. Nach kurzem Wanderleben in Ungarn wurde sie 1858 nach einem Probegastspiel von Nestroy (s. d.) an das Carl-Theater in Wien verpflichtet, wo sie aber nur in bescheidenen Rollen und meist in Possen Verwendung fand. Durch Laubes (s. d.) Vermittlung kam sie nach Brünn, wo sie als Lady Rutland in Laubes „Essex“, als Adrienne Lecouvreur und Maria Stuart beachtliche Erfolge errang. 1859 wurde sie an das Viktoria-Theater in Berlin engagiert, wo sie 1860 als Shakespeares Hermione Triumphe feierte. 1861 war sie am Thalia-Theater in Hamburg, löste dort aber nach einem erfolgreichen Gastspiel in Wien und auf Laubes Drängen vorzeitig ihren Vertrag und debut. 1862 als engagiertes Mitgl. in der Rolle der Iphigenie am Hofburgtheater. Während sie vom Publikum sofort stürm. umjubelt wurde, ließen einige Kritiker die Interpretation dieser Rolle, die später zu ihren vollendetsten Leistungen zählen sollte, nur szenenweise gelten. Durch unermüdliche Arbeit an sich selbst und unter Laubes Führung wurde in den nächsten Jahren aus dem starken Naturtalent eine große Künstlerin, deren überströmende Leidenschaft (sog. Wolterschrei) nun geformt und gebändigt war. Heroische Frauenschicksale gelangen ihr ebenso wie die Heldinnen der Historiendramen ihrer Zeit und die Salondamen von ernstem dramat. Gepräge. Nach einer Erkrankung 1894 trat sie nur mehr selten auf, nicht zuletzt auch deshalb, weil ihr der Übergang ins Mütterfach schwer fiel. Aber auch in diesem Fach gelangen ihr großartige Gestalten, wie die Pastorin Firle oder die Johanna Wedekind, ihre letzte Rolle, in der sie 1896 das letzte Mal am Burgtheater auftrat. Während ihrer Tätigkeit am Burgtheater gastierte sie wiederholt in den größten Städten Deutschlands und der Monarchie. Vielfach geehrt und ausgezeichnet, u. a. 1864 Hofschauspielerin, Ehrenmitgl. des Sächs. Hoftheaters. Sie war ab 1875 mit dem kunstbegeisterten und vielseitig gebildeten Ehrensekretär der kgl. belg. Ges., Gf. O’Sullivan de Grass (1837–88), verheiratet.