Perinet, Joachim (1763-1816), Schauspieler und Schriftsteller

Perinet Joachim, Schauspieler und Schriftsteller. * Wien, 20. 10. 1763; † Wien, 4. 2. 1816. Sohn eines angesehenen Kaufmannes; über Jugend und Bildungsgang P.s ist kaum etwas bekannt. 1782 übernahm er mit Ahlen und Gewey (s. d.) das Theater am Neustift („Zum weißen Fasan“), wo er kurzfristig dilettierte, bald darauf übersiedelte er an das Liebhabertheater im k. k. Taubstummeninst. 1785 debut. P. am Theater i. d. Leopoldstadt unter Dir. Marinelli. P.s unstetes und wechselvolles Leben führte ihn zu Gasthauskumpaneien, literär. Anerkennung im Ausland, bezahlter Spaßmacherei in aristokrat. Kreisen und dauerndem Werben um die Publikumsgunst. 1790 wurde er als Theaterdichter, 1791 als Schauspieler an das Leopoldstädter Theater engagiert. 1798 übersiedelte er an das Freihaustheater auf der Wieden zu Schikaneder. 1803 kehrte er unter Hensler (s. d.) wieder an das Leopoldstädter Theater zurück, wo er mit Ausnahme eines sechsmonatigen Gastspiels 1807 in Brünn bis zu seinem Lebensende tätig war. In seinen ersten Arbeiten, die Zeittendenzen widerspiegelnden Broschüren, wetterte er gegen die „Jesuitenplage“, propagierte patriot. Gesinnung und bediente sich in diesem Genre aller gängigen Stilmittel und Formschemata der Polemik und Ges.Kritik. Bereits hier zeigen sich, im medialen Schema vorgegeben, die Ansätze für P.s späteren theatral. Witz. Die satir. Form seiner Broschüren findet sich auch in seinem parodierenden und travestierenden dramat. Schaffen. Seine oft durch geringe Originalität gekennzeichneten Stücke (Zauberopern, Singspiele, Ritter- und Lokalstücke) zeigen häufig den Einfluß der persönlichen Erlebnissphäre. P. baute vor allem die Tradition des Singspiels aus, indem er viele Possen von Hafner (s. d.) neu bearb. Mit „Kaspar der Fagottist“ wurde er über die österr. Grenzen hinaus bekannt, „Evakathel und Schnudi“ erlebte zur Zeit des Wr. Kongresses eine Renaissance. P.s Hafnerbearb. weisen einen konsequenten Weg zu Raimunds Liedeinlagen. Sein Leben für und durch das Theater macht P. zu einer die Rezeption und Traditionsbildung im Volkstheater erhellenden Figur, die als zeittyp. Merkmal ästhetisierter Lebenshaltung viel mehr Fragen nach Traditionsbildung und literar. Trivialisierungsprozessen aufwirft, als mit den Mitteln linearer ästhet. Wertung nach Prinzipien der Dichotomie von hoher und niederer Kunst zu begreifen ist.

W.: J. P.s kleine Schriften oder moral. Verdrußspiel, 1784; Der Limbus, ein Pendant zu unseren Reisebeschreibungen, 1786; Ärgernisse, 3 He., 1786; Sendschreiben eines span. Esels an seine Verwandte in Deutschland, 1786; Annehmlichkeiten in Wien, 3 He., 1787; Liliput. Steuerfassionen, 1789; Orion, oder der Fürst und sein Hofnarr, 1798; Mozart und Schikaneder, 1801; Ariadne auf Naxos travestiert. Ein musikal. Quodlibet . . ., 1803; Wr. Theater-Almanach auf das Jahr . . ., 1803–04; Die Belagerung von Ypsilon oder Evakathel und Schnudi, 1804 (nach Ph. Hafner); Der Weyland Casperl aus der Leopoldstadt im Reiche der Toten, 6 He., 1806; P. mit offenem Helm gegen die verkappten Vehmrichter der theatral. Wr. Ms. in Knittelreimen, 1806; Die neue Semiramis, heroischkom. Travestie, 1806 (nach Voltaire); Megära, die förchterliche Hexe, Tl. 1, 1806; Pumphia und Kulikan, 1808 (nach J. F. v. Kurz-Bernardon); Briefe der Tulbinger Resel an ihren Herrn Vetter den jungen Eipeldauer . . . ., H. 1–18, 1808–09; Der Geisterseher, 1810 (nach F. v. Schiller); Der Gesellschaftswagen. Ein unterhaltendes Taschenbuch, 1814; etc. Singspiele: Kaspar der Fagottist oder Die Zauberzither, 1791; Das neue Sonntagskind, 1794; Die Schwestern von Prag, 1794 (nach Ph. Hafner); Das lustige Beylager, 1797.
L.: Jb. der Grillparzer-Ges., Jg. 14, 1904, S. 170 ff.; Z. für Bücherfreunde 9, 1905/06, S. 154 ff. (mit Werksverzeichnis); K. L. Janetschek, J. P., phil. Diss. Wien, 1924; Brümmer; Enc. dello spettacolo; Giebisch–Gugitz; Kosch; Nagl–Zeidler–Castle, Bd. 2, s. Reg.; Groner; Wurzbach; ADB; Graeffer–Czikann; Ph. Hafner, Ges.Werke, hrsg. von E. Baum, Bd. 1, in: Schriften des Literar. Ver. in Wien, Bd. 19, 1914, vgl. Anm.; Dt. Literatur in Entwicklungsreihen, hrsg. von O. Rommel, R. 13d, Bd. 1, 1935, S. 57 ff.; K. Brooke, Kaspar der Fagottist, in: German Life & Letters, Bd. 15, n. 1, 1961, S. 10 ff.
(F. Kadrnoska)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 7 (Lfg. 35, 1978), S. 419f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>