Petruševyč (Petruszewycz), Jevhen (Evhen, Eugen) Omeljanovyč (Emeljanovyč) (1863–1940), Politiker und Jurist

Petruševyč (Petruszewycz) Jevhen (Evhen, Eugen) Omeljanovyč (Emeljanovyč), Politiker und Jurist. Geb. Busk, Galizien (Busʼk, UA), 3. 6. 1863; gest. Berlin, Deutsches Reich (D), 29. 8. 1940; griech.-kath. Sohn des griechisch-katholischen Geistlichen und Amateurarchäologen Omeljan Petruševyč (geb. 1830; gest. 8. 9. 1901), Vater des Rechtswissenschaftlers und Publizisten Antіn Petruševyč (geb. Lemberg, Galizien / Lʼviv, UA, 26. 12. 1892; gest. 1941); ab 1892 verheiratet mit seiner Cousine und der Patentochter seines Vaters Leokadija Kordula Punic’ka (geb. Złoczów, Galizien / Zoločiv, UA, 22. 10. 1864; gest. Wien, 26. 6. 1917; röm.-kath.). – P. besuchte das ruthenischsprachige akademische Gymnasium in Lemberg und begann 1880 ein Studium am griechisch-katholischen geistlichen Seminar, ehe er sich zwei Jahre später an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Lemberger Universität einschrieb. 1888 legte er erfolgreich die Staatsprüfungen ab und schloss 1891 ein Doktorat in Kirchen- und Zivilrecht ab. In der Kanzlei von Stepan Fedak absolvierte er 1890–96 sein Anwaltspraktikum, um dann eine eigene Kanzlei in Lemberg zu eröffnen, die er 1897 nach Sokal verlegte. Hier engagierte er sich in der ukrainischen Nationalbewegung und war mitbeteiligt an der Gründung von Zweigstellen des Bildungsvereins Prosvita und des Kulturvereins Rus’ka Besida. 1909 übersiedelte er seine Kanzlei nach Skole, wo er 1910–14 auch als Vizebürgermeister fungierte. Ab 1897 Sekretär des ruthenischen Landeswahlkomitees und ab 1899 Mitglied der Ukrainischen Nationaldemokratischen Partei, saß er 1910–13 sowie 1913–14 im galizischen Landtag (vierte Kurie), wo er dem Ukrainischen Klub angehörte und gemeinsam mit dem Anwalt Ivan Makuch Stellvertreter des Fraktionsvorsitzenden Kostʼ Levyc’kyj war. 1907–18 war P. Mitglied des Abgeordnetenhauses des Reichsrats. Ab 1916 gehörte er zudem der Ukrainischen Parlamentarischen Vertretung an und fungierte 1918 als deren Vorsitzender. Hier trat er österreichkritisch auf und löste wohl auch deshalb →Julijan Romančuk in dieser Funktion ab, der ob seiner Nähe zu den Wiener politischen Eliten zunehmend in die Kritik geriet. Bereits 1915 war P. Gründungsmitglied und seitdem stellvertretender Vorsitzender des Allgemeinen Ukrainischen Rats gewesen. Bei der Unterzeichnung des Vertrags von Brest-Litovsk war er als Mitglied der galizischen Vertretung anwesend. P. war ab Oktober 1918 Initiator und Präsident (ab Anfang November 1918 Vorsitzender) des ukrainischen Nationalrats, Mitglied des Direktoriums und 1919 „Diktator“ der Westukrainischen Volksrepublik. Im November 1919 ging er mit seiner Regierung ins Exil nach Wien und suchte deren Interessen vor dem Völkerbund durchzusetzen. Diese Versuche scheiterten im März 1923 endgültig, weshalb sich im Mai die Exilregierung auflöste und P. nach Berlin auswanderte. Die zerschlagenen Hoffnungen auf die Schaffung eines westukrainischen Staats förderten P.ʼ prosowjetische Haltung. Diese hielt bis Ende der 1920er-Jahre an. Solange wurde P.ʼ Gruppierung, die u. a. die propagandistische Zeitschrift „Ukrajins’kyj Prapor“ unter Beteiligung seines Sohns Antіn herausgab, durch die UdSSR finanziert.

L.: Adlgasser; H. Binder, Galizien in Wien, 2005, s. Reg.; C. Gilley, The ‚Change of Signpostsʻ in the Ukrainian Emigration. A Contribution to the History of Sovietophilism in the 1920s, 2009, S. 292ff.; O. Pavlyšyn, J. P. (1863–1940). Iljustrovanyj biohrafičnyj narys, 2013 (mit Bild); M. Petriv, Ukrajins’ki advodkaty 1, 2014, S. 319ff.; I. Čornovol, Ukrajins’ka frakcija halyc’koho krajovoho sejmu, 2018, S. 320.
(M. Rohde)   
Zuletzt aktualisiert: 20.12.2021  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 10 (20.12.2021)