Pezzl, Johann (1756-1823), Schriftsteller und Beamter

Pezzl Johann, Schriftsteller und Beamter. * Mallersdorf (Bayern), 30. 11. 1756; † Wien, 9. 6. 1823. Sohn eines Bäckermeisters; lebte zeitweise in einem Kloster, hörte am bischöflichen Lyzeum in Freising Physik und verließ aus nicht geklärten Gründen sein Vaterland. 1776–80 stud. er Jus in Salzburg und veröff. die ersten Bde. der „Briefe aus dem Noviziat“. Nach angeblicher gerichtlicher Untersuchung gegen ihn ging er ca. 1781 nach Zürich. Dort betätigte sich P. hauptsächlich als Übers. französ. Reiseliteratur. Im Frühjahr 1784 kam er nach Wien, wo er sich von Joseph II. und dessen Neuerungen stark angezogen fühlte, und erhielt bald eine Stelle als Sekretär, Vorleser und Bibliothekar bei Staatskanzler Fürst Kaunitz. Er arrivierte schnell im gesellschaftlichen Leben der kulturell bedeutsamen Beamtenschriftsteller des Josephinismus und verkehrte anfänglich auch im Greinerschen Salon, bei den Eltern Karoline Pichlers. Der Kreis der Wr. Aufklärer stand ihm offen, Blumauer wurde bald sein Freund. 1791 wurde P. Offizial des Geheimen Ziffernkabinetts, zuletzt k. k. Rat und Subdir. Er heiratete und verlor, nicht zuletzt auch durch den Einfluß von Kaunitz, durch typ. bürgerliche Akkommodation ans Aristokrat. viel von seiner früheren polit.-satir. Schärfe. Ab 1785 war er Mitgl. der Freimaurerloge Zum Palmbaum. P. war sicherlich einer der profiliertesten Wr. Aufklärer, dessen Leistung vorwiegend auf journalist. und ep. Gebiet lag. Auffällig ist, daß P. mit seiner „Skizze von Wien“ und ähnlichen Schriften lange Zeit nur als Wr. Topograph und Sittenschilderer in der Rezeption weiterlebte. Erst die jüngste Forschung entdeckte zunehmend wieder den josephin. Satiriker und sozialkrit. Utilitaristen, der mit seinen Romanen und Briefsatiren viel zur Entstehung eines österr. Nationalbewußtseins und zum Bewußtwerden der Eigenständigkeit der österr. Literatur beigetragen hat.

W.: Briefe aus dem Noviziat, 4 Bde., 1780–83; Reise durch das Gebiet von Zürich, 1782; Faustin oder Das philosoph. Jh., 1783, 5. Aufl. 1788; Reise durch den Baier. Kreis, 1784; Biograph. Denkmal Riesbecks, Verfassers der Briefe eines reisenden Franzosen . . ., 1786; Schatten und Licht. Epilog zu den Wr. Maurerschriften, 1786; Skizze von Wien, 6 He., 1786–90; Vertraute Briefe über Katholiken und Protestanten, 1787; Abdul Erzerum’s neue pers. Briefe, 1787; Denkmal auf M. Stoll, 1788; Österr. Biographien, 4 Tle., 1790–92; Ulrich v. Unkenbach und seine Steckenpferde, 2 Bde., 1800–02; Beschreibung und Grundriß der Haupt- und Residenzstadt Wien, 1802; Neue Skizze von Wien, 3 He., 1805–12; Die Umgebungen Wiens, 1807; Gabriel oder Die Stiefmutter Natur, 1810; Neueste Beschreibung von Wien . . ., 1812; etc.
L.: G. Gugitz, J. P., in: Jb. der Grillparzer-Ges. 16, 1906, S. 164 ff.; Giebisch–Gugitz; Graeffer–Czikann; Kosch: Nagl–Zeidler–Castle, Bd. 2–3, s. Reg.; Wurzbach; Wr. Schriftsteller- und Künstler-Lex., 1793; E. Gause, E. Pötzl und die Wr. Skizze, phil. Diss. Wien, 1934, S. 95 ff.; L. Bodi, Tauwetter in Wien. Zur Prosa der österr. Aufklärung 1781–95, 1977, s. Reg.; W. M. Bauer, Fiktion und Polemik (= Veröff. der Komm, für Literaturwiss. 4), in: Sbb. Wien, phil.-hist. Kl. 340, 1978.
(F. Kadrnoska)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 8 (Lfg. 36, 1979), S. 22f.
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