Pfeiffer, Franz, Germanist. * Bettlach, Kt. Solothurn (Schweiz), 27. 2. 1815; † Wien, 29. 5. 1868. Stud. ab 1834 an der Univ. München zuerst Med., ab 1836 dt. Philol., in der er seine Ausbildung nach den Prinzipien der philolog. Schule Lachmanns erhielt. Dr. phil. Ab 1840 sichtete er die handschriftlichen Bestände in den Bibl. von Meersburg (Smlg. Laßberg), Zürich, Basel, Straßburg, Heidelberg, Wien, Klosterneuburg und Melk. Das dabei ges. Material bildete den Grundstock für P.s spätere Editionen altdt. Texte. 1842–46 lebte er als Privatgelehrter in Stuttgart; daneben war er ab 1843 Sekretär des Literar. Ver., in dessen Textreihen er bis 1844 bereits 5 Bde. ediert hatte, darunter die „Große Heidelberger Liederhandschrift“ und die „Weingartner Liederhandschrift“. Ab 1846 war er als Bibliothekar an der kgl. Bibl. in Stuttgart tätig. Tit. Prof. Durch die method. Neuansätze seiner Arbeiten zu vielen seiner ehemaligen Freunde aus dem Lachmannkreis in Gegnerschaft geraten, gab P. ab 1856 die von ihm gegründete Z. „Germania“ als bewußtes Konkurrenzunternehmen zur „Zeitschrift für deutsches Altertum“ (dem Sprachrohr der Lachmannschule) heraus. 1857 o. Prof. der dt. Sprache und Literatur an der Univ. Wien, 1860 w. Mitgl. der Akad. der Wiss. in Wien. P. versuchte auch im akadem. Lehrbetrieb, seine bisher vornehmlich polem. Kritik an den Methoden Lachmanns zu einem eigenen Lehrgebäude weiterzuentwickeln und in programmat. Arbeiten zur mittelhochdt. höf. Sprache, zum „Dichter“ des Nibelungenliedes (er stellte der „Liedertheorie“ Lachmanns seine „Kürenberger-Hypothese“ entgegen) sowie in einer „Musterausgabe“ Walthers v. d. Vogelweide niederzulegen. Didakt. wichtig wurde sein „Altdeutsches Übungsbuch“ (1866), das jahrzehntelang im altgermanist. Übungsbetrieb an den süddt. Univ. dominierte. P.s große Vertrautheit mit dem handschriftlichen Material inspirierte ihn zu neuen, method. fruchtbaren und richtungändernden Perspektiven, etwa auf dem Gebiet der Metrik und in Fragen der Textedition. Er versuchte, den im Perfektionismus erstarrten Wissenschaftsbetrieb der Lachmannschule zugunsten der Entfaltungsmöglichkeit junger Wissenschafter und neuer Erkenntnisse („Freie Forschung“) aufzubrechen sowie die eigene Forschungstätigkeit in populären Ausgaben breiten Interessentengruppen zugänglich zu machen und seine Schüler in diesen Prozeß einzugliedern. Überzeugt von der Notwendigkeit einer ständigen Kanonerweiterung seines Faches, setzte sich P. auch vehement für die Gründung eines Seminars für neuere dt. Philol. ein.