Postl, Karl; Ps. C. Sidons, Charles Sealsfield (1793-1864), Schriftsteller

Postl Karl, Ps. C. Sidons, Charles Sealsfield, Schriftsteller. * Poppitz b. Znaim (Popice, Mähren), 3. 3. 1793; † Solothurn (Schweiz), 26. 5. 1864. Sohn eines Weinhauers und Dorfrichters; von der Mutter zum Geistlichen bestimmt, absolv. er 1808 als Konventstudent des Ordens der Kreuzherren mit dem roten Stern den philosoph. Lehrgang an der Univ. Prag und stud. 1811–15 Theol., bes. bei Bolzano (s. d.), 1814 feierliche Profeß, 1815 Sekretariatsadjunkt, 1816 Priesterweihe und Sekretär des Gen.Großmeisters. Kontakte zu liberal-nationalen Kreisen sowie persönliche Gründe führten 1823 zu P.s Flucht in die Schweiz, dann in die USA, wo er die amerikan. Staatsbürgerschaft und den Namen Ch. Sealsfield (1826 erstmals dokumentiert) annahm. 1826 kehrte er nach Europa zurück und leistete polit. Mittlerdienste zwischen den USA und Frankreich sowie zwischen Österr. und Deutschland. 1826/27 lebte er als Journalist in London, 1827 erschien sein erstes Buch unter dem Ps. C. Sidons; 1827–30 hielt er sich erneut in den USA auf und war 1830 Red. des führenden französ. Bl. „Courrier des États-Unis“ in New York. Nach der französ. Julirevolution kehrte P. nach Europa zurück, war u. a. Korrespondent in London und Paris und gehörte zum Kreis um Kgn. Hortense der Niederlande. Ab 1832 lebte er – unterbrochen von zwei Aufenthalten in den USA (1837, 1853–58) – als Gastbürger und Schriftsteller in der Schweiz (zuletzt im Haus „Unter den Tannen“ bei Solothurn). P.s wahre Identität wurde erst aus dem Nachlaß erschlossen, sein in Einzelheiten noch immer ungeklärter Lebenslauf bot immer wieder Anlaß zu Spekulationen. P. begann als krit., polit. engagierter Journalist und Reiseschriftsteller mit didakt. Absichten. Er stilisierte Amerika zum Land der Zukunft, der Möglichkeiten und der freien Entfaltung des Individuums, dem die repressiven Staatsformen Europas als Kontrast gegenüberstehen. Er bemühte sich um Vermittlung eines Amerikabildes mit Anspruch auf Wirklichkeitstreue und verarbeitete daher große Mengen an zeitgeschichtlichen, geograph. und ethnograph. Fakten, schuf gelungene Naturschilderungen und lebensnahe Typen. Beeinflußt von Scott, Cooper und Chateaubriand, übertraf P. seine Vorbilder in der gelungenen Synthese zweier Romantypen, des „Kontrasttyps“ und des „Annäherungstyps“ (W. Weiss), bes. in den „Deutsch-amerikanischen Wahlverwandtschaften“ und im „Kajütenbuch“; zum Helden wird das ganze Volk. Er leistete somit einen frühen wichtigen Beitr. zur Entwicklung des Ges.Romans.

W. (Erstausg.): Die Vereinigten Staaten von Nordamerika, nach ihrem polit., religiösen und gesellschaftlichen Verhältnisse betrachtet, 2 Bde., 1827, auch engl.; Austria as it is: or, Sketches of Continental Courts, 1828, dt.: Österr., wie es ist, oder Skizzen von Fürstenhöfen des Kontinents, übers. und hrsg. von V. Klarwill, 1919; Tokeah, or, The White Rose, 2 Bde., 1829, umgearbeitete dt. Fassung: Der Legitime und die Republikaner, 3 Bde., 1833; Transatlant. Reiseskizzen und Christophorus Bärenhäuter, 2 Bde., 1834; Der Virey und die Aristokraten oder Mexiko im Jahre 1812, 3 Bde., 1835; Lebensbilder aus beiden Hemisphären: Die grosse Tour, 2 Bde., 1835, Ralph Doughby’s Esq. Brautfahrt, 1835, Pflanzerleben, 1836, Die Farbigen, 1836, Nathan, der Squatter – Regulator, oder der erste Amerikaner in Texas, 1837; Neue Land- und Seebilder (Die dt.-amerikan. Wahlverwandtschaften), 4 Tle., 5 Bde., 1839–40; Das Cajütenbuch oder nationale Charakteristiken, 2 Bde., 1841; Süden und Norden, 3 Bde., 1842–43; Die Grabesschuld, hrsg. von A. Meissner, 1873; etc. Ges. Werke, 18 Bde., 1842–46, 15 Bde., 1845–46; Sämtliche Werke, hrsg. von K. J. R. Arndt, 1 ff., 1972 ff. (Nachdruck); Ch. Sealsfields exot. Kulturromane in neuer Auswahl und Anordnung, 7 Bde., hrsg. von H. Conrad, ca. 1917; Gesamtausg. der amerikan. Romane, 5 Bde., hrsg. von F. Riederer, 1937 (mit Sealsfield-Lex.); etc.
L.: W. Weiss, Der Zusammenhang zwischen Amerika-Thematik und Erzählkunst bei Ch. Sealsfield (K. P.), in: Literaturwiss. Jb. der Görres-Ges., NF 8, 1967, S. 95 ff.; Goedeke, s. Reg.; Wurzbach (s. Sealsfield Ch.); A. B. Faust, Ch. Sealsfield (C. P.). Der Dichter beider Hemisphären, 1897; O. Hackel, Die Technik der Naturschilderung in den Romanen von Ch. Sealsfield (= Prager dt. Stud. 18), 1911; M. Djordjewitsch, Ch. Sealsfields Auffassung des Amerikanertums und seine literarhist. Stellung (= Forschungen zur neueren Literaturgeschichte 64), 1931; O. Heller–Th. H. Leon, Ch. Sealsfield. Bibliography of his Writings together with a classified and annotated Catalogue of Literature . . . (= Washington University Studies – NS Language and Literature 8), 1939; H. Zimpel, K. P.s (Ch. Sealsfields) Romane im Rahmen ihrer Zeit (= Frankfurter Quellen und Forschungen zur german. und roman. Philol. 29), 1941; E. Aufderheide, Das Amerika-Erlebnis in den Romanen von Ch. Sealsfield, phil. Diss. Göttingen, 1946; G. Hübner, Ch. Sealsfield und Sir W. Scott, phil. Diss. Wien, 1949; A. Kozeluh, Ch. Sealsfield und J. F. Cooper, phil. Diss. Wien, 1949; E. Arns, Ch. Sealsfield. Besonderheit und Grenzen eines Schriftstellers, phil. Diss. Bonn, 1955; E. Castle, Der große Unbekannte 1, 1952, 2 (Briefe und Aktenstücke), 1955; Sealsfield-Bibliographie 1945–65, hrsg. von F. Bornemann und H. Freising (= Jahresgabe der Ch. Sealsfield-Ges. 1966), 1966; G. Muschwitz, Ch. Sealsfield und der exot. Roman, phil. Diss. Hannover, 1969; G. Punitzer, Der Aufbau von „Süden und Norden“. Stud. zur Erzähltechnik Ch. Sealsfields, phil. Diss. Wien, 1969; A. Ritter, Darstellung und Funktion der Landschaft in den Amerika-Romanen von Ch. Sealsfield (K. P.), phil. Diss. Kiel, 1969; F. Schüppen, Ch. Sealsfield, in: Zur Literatur der Restaurationsepoche 1815–48, hrsg. von J. Hermand und M. Windfuhr, 1970. S. 285 ff. (Forschungsber.); G. Rossetto, Il motivo americano nell’opera di Ch. Sealsfield. phil. Diss. Turin, 1972; H. Fritz, Die Erzählweise in den Romanen Ch. Sealsfields und J. Gotthelfs (= Europ. Hochschulschriften, R. 1, 151), 1976; A. Ritter, Sealsfield-Bibliographie 1966–75 (= Jahresgabe der Ch. Sealsfield-Ges. 1976), 1976; F. Sengle, Biedermeierzeit 3, 1980, S. 752 ff.
(A. Obermayer)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 8 (Lfg. 38, 1981), S. 225f.
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