Preradović, Petar von (1818-1872), Schriftsteller und Generalmajor

Preradović Petar von, Schriftsteller und General. * Grabrovnica (Kroatien), 19. 3. 1818; † Fahrafeld b. Pottenstein (NÖ), 18. 8. 1872. Aus alter adeliger Grenzerfamilie, Vater der Folgenden; absolv. 1830–38 die Theresian. Militärakad., 1838 Unterlt. im IR 33 (Mailand), 1844 Oblt. (Dalmatien); 1848 Hptm., machte er den Feldzug in Italien mit. 1849 wurde er zum l. Banal-Grenz-IR 10 transferiert, 1849/50 war er Chef der Kriegssektion des Banalrates unter FZM Jellačić (s. d.), 1850/51 war er beim kroat.-slawon. Gen.Kmdo. in Agram (Zagreb), 1852 in diplomat. Mission bei Omer Latas Pascha (s. d.) in Travnik, 1852 Mjr. im Dt.-Banater Grenz-IR 12, nach weiteren Einteilungen 1859 Obst. Souschef des Gen.Stabs beim 1. Armeekmdo., dann Chef der 3. Abt. beim Gen.Kmdo. der 4. Armee, Ende des Jahres eingeteilt beim Landesgen.Kmdo. in Temeschwar (Timişoara), 1865 Chef des Gen. Quartiermeisterstabs beim V. Armeekorps in Verona, 1866 GM und Brigadier bei der 20. Truppendiv. in Arad, 1868 Brigadier bei der 14. Truppendiv. in Preßburg (Bratislava), 1869 Brigadier bei der 2. Truppendiv. in Wien. P. begann seine schriftsteller. Tätigkeit schon als Zögling in der Theresian. Militärakad.; bis etwa 1843 verfaßte er nur durchschnittliche lyr. und ep. Gedichte in dt. Sprache, vorwiegend im Geist und in der Manier Schillers und Byrons. Unter dem Einfluß des Illyrismus und in Übereinstimmung mit den neuen nationalen Aufgaben, bes. nach dem Zusammentreffen mit Kukuljević Sakcinski (s. d.) und Dimitrović in Mailand, begann P. in seiner Muttersprache, die er nach seinen eigenen Worten beinahe schon vergessen hatte, zu schreiben. Trotz häufigem Garnisonswechsel pflegte er sehr intensive Kontakte mit den Intellektuellen in Kroatien. Sein erstes gedrucktes Gedicht, „Zora puca“ (Das Morgenrot bricht an), erschien 1844 in der ersten Nummer der Ztg. „Zora dalmatinska“ in Zara (Zadar). Es hatte programmat. Bedeutung und erweckte großes Aufsehen und stürm. Beifall in der Öffentlichkeit, ebenso sein 1846 veröff. erster Gedichtbd., „Prvenci“ (Erstlinge). Mit kürzeren Unterbrechungen, bes. während der Ära des Neoabsolutismus, war P. stets in der kroat. literar. Szene tätig. Er schrieb ca. 300 lyr. und ep. Gedichte, zwei Epen („Prvi ljudi“ / Die ersten Menschen, „Vladimir i Kosara“ / V. und K.), ein Drama („Kraljević Marko“ / Der Kg.Sohn M.) und übers. ins Kroat. u. a. Byron, Goethe, Lenau (s. Niembsch v. Strehlenau), Bürger, Dante, Krasiński und Manzoni (s. d.). Das gesamte Schaffen P.’ ist metaphys. ausgerichtet, wobei sich Religiosität und Zukunftsgedanken mit Fatalismus, Okkultismus und Spiritismus mischen, weshalb man ihm einen starken Pessimismus zuschrieb. Zeitlebens blieb P. ein zerrissener Mensch: er haßte das Militär, war aber ein vorbildlicher Off. Er avancierte zum Gen., litt aber unter dem Gefühl, wegen seiner bescheidenen Herkunft im Off.-Korps gesellschaftlich nicht akzeptiert zu werden. Sein wahres Ich entdeckte er in der Besinnung auf Volk und Vaterland, obwohl er den größten Tl. seines Lebens in der Fremde verbrachte. Die Themen seiner Lyrik im engeren Sinn sind Natur, Liebe, Gott, panslawist. Patriotismus demokrat. Prägung („Slavjanstvu“ / An das Slawentum) und die Muttersprache („Rodu o jeziku“ / Dem Volke über die Sprache). Die themat. Mannigfaltigkeit seines Œuvre, seine klugen, oft philosoph. geformten Gedankengänge, die sich auf weltanschauliche Haltung, auf nationale und pädagog. Ziele reduzieren lassen, bewirkten, daß P.’ Lyrik im 19. Jh. beim Volk enorme Beliebtheit genoß, von der Kritik jedoch unterschiedlich beurteilt wurde. Für die Literatur bei den Kroaten, die sich nach fünf Jh. in einer neuen „štokavischen Koine“ gestalten sollte, schuf P. neue Verstypen und damit ein Modell, das stark zu ihrer sprachlichen und gedanklichen Vertiefung und Konsolidierung beitrug. Als Dichter war er überaus erfolgreich, aber eine wirkliche Erfüllung blieb ihm auch auf diesem Gebiet versagt, da er mit der Sprache ringen und sich den Bedürfnissen einer Bewegung unterordnen mußte. Er war gezwungen, seine Loyalität zu teilen, ohne darin einen wirklichen Sinn erkennen zu können.

W.: Nove pjesme (Neue Gedichte), 1851; Pjesnička djela (Dichter. Werke), 1873; Gedichte, übers. von H. Sommer, 1875; P. P.’s ausgewählte Gedichte, übers. und eingeleitet von M. Spicer, 1895; Život i pjesme (Leben und Lieder), 1909; Djela (Werke), 2 Bde., hrsg. von B. Vodnik, 1918–19; Dela (Werke); hrsg. und eingeleitet von L. Vojnović (= Klasici Jugoslavenski 2), 1932; Izabrane Pjesme (Ausgewählte Gedichte), 1946 (mit Bio- und Bibliographie); S. Vraz–P. P., Djela (Werke), hrsg. von A. Barac, 1954 (mit Bibliographie); Pjesme. Prvi ljudi. Zapisi (Gedichte. Die ersten Menschen. Aufzeichnungen), hrsg. von V. Barac, in: Pet stoljeća hrvatske književnosti 30, 1965; Pozdrav domovini. Izabrane pjesme (Gruß an das Vaterland. Ausgewählte Gedichte), hrsg. von D. Tadijanović, 1968 (mit Bibliographie); etc. Briefwechsel zwischen P. P. und V. Jagić, in: Archiv für slav. Philol. 26, 1904.
L.: Österr.-Ung. Wehr-Ztg. – Der Kamerad (Beilage zur Reichswehr) vom 2. 6. 1895; R. Jagoditsch, Zur P. P.-Forschung, in: Wr. slavist. Jb. 1, 1950, S. 195 ff.; Enc. Jug.; Grlović, Album; Nar. Enc.; N. Österr. Biogr. 16, 1965, S. 72 ff.; Svoboda 2, S. 13 ff.; Wurzbach; Znam. Hrv.; A. v. Teuffenbach, Neues Illustriertes Vaterländ. Ehrenbuch 2, 1891, S. 461 ff.; L. Maraković, P. P. (= Eseji i članci 1), 1969; O P. P. Danas, hrsg. von J. Ravlić (= Kritika. Posebno izdanje 7), 1970; S. Burić, Zweisprachige Dichtung bei den Kroaten, phil. Diss. Graz, 1972, S. 8 ff.; M. Živančević, Povijest hrvatske književnosti 4, 1975; KA Wien. Belletrist.: P. v. Preradović, Pave und Pero, 1940, Neuaufl, 1957. – Mitt. R. Katičić, Wien.
(A. Stamać)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 8 (Lfg. 38, 1981), S. 264f.
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