Rašín, Alois (1867-1923), Politiker und Jurist

Rašín Alois, Jurist und Politiker. * Nechanitz (Nechanice, Böhmen), 18. 9. 1867; † Prag, 18. 2. 1923. Sohn eines Bäckers und Reichsratsabg.; stud. an der Tschech. Univ. Prag Jus (1891 Dr. jur) und wurde Advokat in Prag, ab 1900 führte er eine eigene Kanzlei. R., schon als Student polit. tätig, war Repräsentant der sog. Fortschrittsbewegung und wurde 1894 im Omladina-Prozeß zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, 1895 jedoch amnestiert. Nach der polit. Zersplitterung der Fortschrittsbewegung (1897) blieb R. zuerst am linken Flügel der Jungtschechen, gründete aber gem. mit anderen 1899 die Radikálně státnoprávní strana (Radikal-staatsrechtliche Partei), die er jedoch schon 1900 verließ, um die unabhängige Ws. „Slovo“ ins Leben zu rufen. 1907 kehrte er zur Jungtschech. Partei zurück und red. deren Ztg. „Den“, ab 1910 gem. mit Kramář (s. d.) die „Národní listy“, worin er das Wirtschaftsprogramm der Partei formulierte. Ab 1911 Reichsratsabg. Im Ersten Weltkrieg vertrat er wieder einen radikalen Standpunkt gegen Österr. und unterstützte als Mitgl. der sog. Maffia den Widerstand im Ausland. 1916 wurde er wegen Hochverrates gem. mit Kramář und anderen vom Landwehrdiv. Gericht in Wien zum Tode verurteilt, 1917 amnestiert. Nach seiner Entlassung aus der Haft beteiligte sich R. 1918 an den Verhh. über den Zusammenschluß der tschech. bürgerlichen Parteien in der sog. Státnoprávní demokracie (Staatsrechtliche [ab 1920 Nationale] Demokratie), vertrat diese Partei im Nationalausschuß und war als einer der „Männer des 28. Oktober“ am Prager Umsturz führend beteiligt. R. war in der ersten tschechoslowak. Regierung bis 9. 7. 1919 Finanzminister. In dieser Funktion führte er seine Konzeption einer Valorisierung der Währung bis zum Friedenswert (d. h. die Trennung der tschech. und österr. Währung) und eine Vermögenssteuer ein. 1922 übernahm er bei veränderter Finanz- und Währungssituation zum zweiten Mal das Finanzmin., überwiegend mit Deflationsaufgaben befaßt. Die Opposition der sozialist. Parteien gegen seine Person wurde durch einen Konflikt mit den Organisationen der Legionäre verschärft und führte am 5. 1. 1923 zu einem Attentat, an dessen Folgen R. starb.

W.: České státní právo (Das böhm. Staatsrecht), 1891; Rakouský zákon o tisku (Das österr. Pressegesetz), 1906; Názorné směnkářství (Anschauliche Wechselkde.), 1906; Politické zločiny (Die polit. Verbrechen), 1914; Můj finanční plán (Mein Finanzplan), 1920; Inflace a deflace (Inflation und Deflation), 1922; Národní hospodářství (Volkswirtschaft), 1922; Finanční a hospodářská politika československá . . ., 1922, dt.: Die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Tschechoslowakei, 1923, auch französ. und engl.; etc. Paměti Dra A. R. (Die Erinnerungen Dr. A.R.s), hrsg. von L. Rašin, 1929; Řeči v Národním shromáždění (Reden in der Nationalversmlg.), hrsg. von J. Bečka, 1934; Listy z vězení (Briefe aus dem Gefängnis), hrsg. von L. Rašín, 1937.
L.: N. Fr. Pr. vom 19. 2. 1923; Knauer; Masaryk; Otto 21, Erg.Bd. V/1; Směr radikálně-pokrokový ve studenstvu 1898–1908, 1910, S. 7 ff.; F. Freund, Das österr. Abg.Haus . . . 1911–17, 1911; Proces Dra Kramáře a jeho přátel 1–5, 1918–20; J. Škába, Dra A. R. život a smrt, 1923; J. Čakrt, R. als Währungsreformer, 1926; J. Penížek, Dr. A. R., 1926; Památnik R., red. von F. Fousek et al., 1927; V. Červinka, Moje rakouské žaláře, 1928, s. Reg.; Vězenská korespondence K.S. Sokola z let 1893–95, hrsg. von B. Sokolová, 1929; M. Navrátil, Almanach československých právníků, 1930; F. Soukup, Památce A. R., 1933; K. Hoch, A. R., 1934; F. Peroutka, Budování státu 2, 1934, S. 701 ff.; R. Urbánek, Omladina, 1935, S. 17 ff.; K. Hoch, A. R., in: Idea státu československého 1, 1936, S. 199 ff.; F. Ježek, Tři (Kramář, R., Lukavský), 1936; Z. Tobolka, Politické dějiny československého národa . . . 3, 1936, S. 47 ff„ S. 451 ff., 4, 1937, S. 74 ff., 267 ff., 381 ff.; V. Sís, A. R., in: České postavy 2, 1940; Z. A. Zeman, Der Zusammenbruch des Habsburgerreiches (1914–18), 1963, s. Reg.; Hdb. der Geschichte der böhm. Länder, hrsg. von K. Bosl, 3–4, 1968–70, s. Reg.
(K. Kučera)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 8 (Lfg. 40, 1983), S. 426f.
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