Reinhardt Max, Theaterdirektor, Regisseur und Schauspieler. * Baden (NÖ), 9. 9. 1873; † New York, N.Y. (USA), 31. 10. 1943. Hieß bis 1904 Goldmann. Sohn eines Kaufmanns, ab 1910 mit der Schauspielerin E. Heims, ab 1935 mit der Schauspielerin H. Thimig verheiratet. Nahm während seiner kurzen kaufmänn. Ausbildung Schauspielunterricht, dem ab 1890 kleinere Engagements folgten. 1894 holte ihn Brahm an das Dt. Theater Berlin, wo er vorwiegend Altmännerrollen spielte. 1901 gründete er mit Schauspielerkollegen die Kleinkunstbühne Schall und Rauch, 1902 baute er dieses literar. Kabarett, in dem er sich gegen die Dominanz des Naturalismus in Spielplangestaltung und Schauspielkunst wandte, zum Kleinen Theater aus. 1903 verließ R. das Dt. Theater, übernahm zusätzlich zum Kleinen Theater die Dion. des Neuen Theaters (bis 1906), wo er vor allem die neue Dramatik der Jh.Wende aufführte. Als Ausstatter zog er führende Maler wie Corinth, Kruse, Slevogt und Menzel zu. 1905 übernahm R. das Berliner Dt. Theater, dem er mit kurzen Unterbrechungen bis 1933 als Dir. vorstand und dem er eine Schauspielschule angliederte. Er verwirklichte seine Vorstellungen eines Welttheater-Repertoires mit Schwerpunkt auf Exponenten einzelner Nationen – von den Werken der klass. Bildungsdramatik bis zu den Stücken herausragender zeitgenöss. Autoren – und spannte damit einen Bogen vom Barock bis zur jüngsten Gegenwart. 1906 ließ R. an das Dt. Theater ein kleines Haus – die Kammerspiele – anbauen, die er bewußt den Auff. „intimer“ Stücke der zeitgenöss. psycholog. durchformten Dramatik, daneben aber auch gehobenem Boulevard vorbehielt. 1909/10 pachtete R. das Münchner Künstlertheater und unternahm 1910 in der Münchner Ausst.Halle mit Sophokles’ „König Ödipus“ den ersten Versuch einer Arenainszenierung (bis zu 5000 Mitwirkende). Weitere Großrauminszenierungen folgten, allen voran K. Vollmoellers Pantomime „Das Mirakel“ in der Londoner Olympia Hall, 1911. Verstärkte Gastspieltätigkeit führte R. im Lauf der Jahre in fast alle europ. Länder; 1927/28 gastierte er mit seinem Ensemble drei Monate in New York, wo er acht Inszenierungen zeigte, 1911/12 widmete er sich auch der Opernregie (Urauff. der Straussopern „Der Rosenkavalier“ und „Ariadne auf Naxos“) und drehte 1913 die Stummfilme „Venezianische Nacht“ und „Insel der Seligen“. Zusätzlich zum Dt. Theater und den Kammerspielen pachtete R. 1910–13 in Berlin den Zirkus Schumann, 1914 den Zirkus Busch, 1915–1918 die Volksbühne und 1918/19 das Kleine Schauspielhaus. 1918/19 erfolgte der Umbau des Zirkus Schumann zu einem Theater mit einem Fassungsvermögen von knapp 5000 Zuschauern, das 1919 als Großes Schauspielhaus mit Aischylos’ „Orestie“ eröffnete, jedoch aus Mangel an geeigneten Sprechstücken bald zu einem beliebten Revue- und Operettenbetrieb wurde. 1920 gab R. die künstler. Leitung seiner Berliner Bühnen, die ab 1901 sein Bruder Edmund (1875–1929) im administrativen und kaufmänn. Bereich führte, ab und verlegte seine Theatertätigkeit größtenteils nach Österr. Bereits 1916 im Präsidium der Salzburger Festspielhausgemeinde, gründete er 1920 gem. mit Hofmannsthal (s. Hofmann von Hofmannsthal H.), Strauss etc. die Salzburger Festspiele, die er bis 1937 leitete. Bes. Höhepunkte waren die jährlichen Auff. von Hofmannsthals „Jedermann“ auf dem Domplatz (seit 1920), 1922 die Inszenierung von dessen „Salzburger Großem Welttheater“, 1925 die Eröffnung des ersten Festspielhauses und die Inszenierung von Goethes „Faust I“ in der „Fauststadt“ in der Felsenreitschule. Da die von R. angestrebte Übernahme der Burgtheaterdion. scheiterte, kaufte 1923 der Bankier C. Castiglioni für R. das Josefstädtertheater in Wien, das neuadaptiert 1924 mit Goldonis „Diener zweier Herren“ eröffnete. Im selben Jahr erwarb R. auch das Theater Komödie in Berlin, 1928 übernahm er das Schönbrunner Schloßtheater in Wien, wo er 1929 ein Schauspiel- und Regieseminar, das R.-Seminar, etablierte. R. stand zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn als Theaterunternehmer. Gleichzeitig absolv. er auch seine Gastspielreisen im Ausland und seine Gastinszenierungen mit fremdsprachigen Schauspielern und Sängern (so 1924 in New York „Das Mirakel“). 1933 verließ er Deutschland endgültig und begann, nach letzten europ. Gastinszenierungen, sich in Amerika eine neue Existenz aufzubauen. Im Rahmen der von ihm initiierten Kaliforn. Festspiele inszenierte er 1934 Shakespeares „Sommernachtstraum“, den er 1935 auch verfilmte. In den USA hielt er sich zunächst in Hollywood, ab 1942 ständig in New York auf. Mit R. als einer der universellsten Persönlichkeiten der Theatergeschichteverbindet sich eine neue Ära des europ. Theaters, die gekennzeichnet wird durch den Begriff der Regie im heutigen Sinn, den er endgültig durchsetzte, mit einer künstler. Durchdringung techn. Bühnenmittel und der Erschließung neuer, oft ungewöhnlicher Spielorte, durch eine intensive Arbeit mit den Schauspielern und eine gezielte Ausbildung von jungen Kräften. Das Schöpfer. in der R.schen Regie beginnt in der Umsetzung von Text in Handlung. Größtmögliche Treue der dichter. Vorlage gegenüber ist oberstes Gebot. R. vermied zeitbedingte literar., künstler.ästhet. oder ideolog. Bindungen. R.s Anspruch, jedem Stück den ihm spezif. eigenen Spielort zuzuweisen, manifestiert sich in einer fortwährenden Auseinandersetzung mit dem Raum, in der Suche nach neuen Bühnenformen und Schauplätzen. Auf dem Gebiet der Bühnentechnik führte R. einige revolutionierende Neuerungen durch, so wurden Rundhorizont, Drehbühne und stimmungsbildende Lichttechnik zu dramaturg. eingesetzten Faktoren. Richtungweisend für das Gegenwartstheater sind seine Großrauminszenierungen – die Zentralisierung des Spielablaufs in der Mitte eines Raumes. Für seine Idee eines Theaters als grundsätzlich festlichem Ereignis setzte R. Dichtung und Schauspielkunst, Malerei und Technik, Musik und Tanz als gleichrangige Komponenten vereinigt im Dienste eines Gesamtkunstwerks ein. Dieses war dann in sich von einer Geschlossenheit, die R.s Arbeiten auszeichnete. Das war der eigentliche R.Stil, der, für jede Inszenierung neu geschaffen, sich über die Stildiskussion der Zeit hinaushob.