Reinhold, Karl Leonhard (1758-1823), Philosoph

Reinhold Karl Leonhard, Philosoph. * Wien, 26. 10. 1758; † Kiel, Schleswig-Holstein (BRD), 10. 4. 1823. Sohn eines Zeughausinsp. in Wien; war zuerst in Wien Novize bei den Jesuiten, ab 1774 im Barnabitenkollegium zu St. Michael, ab 1780 Novizenmeister und Lehrer der Phil. am Barnabitenkollegium. Ab 1782 Mitarbeiter an der von Blumauer red. „Wiener Realzeitung“, vor allem für die neue Sparte Theol. und Kirchenwesen, unter der Chiffre Dr.; 1783 wurde er Mitgl. der Freimaurerloge Zur wahren Eintracht – der geistigen Eliteloge unter Borns Leitung – und Illuminat unter dem Namen Decius. Er verließ den Barnabitenorden und wandte sich zunächst nach Leipzig, 1784 mit Unterstützung der Wr. Loge nach Weimar, wo er bei Wieland, dessen Schwiegersohn er 1785 wurde, Aufnahme fand. 1785 sachsenweimarscher Rat. R. wurde Mitarbeiter, später Mithrsg. des „Teutschen Merkur“, in dem er 1786 acht „Briefe über die Kantische Philosophie“ veröff., die ihm den Ruhm des Vermittlers und Popularisators von Kants „Kritik der reinen Vernunft“ eintrugen und zu seiner Berufung als ao. Prof. der Phil. an die Univ. Jena führten. 1793 o. Prof. der theoret. Phil. an der Univ. Kiel. In diese Zeit fällt der wichtigste Tl. seiner wiss. Tätigkeit, deren Höhepunkt sein Briefwechsel mit Bardili über das Wesen der Phil. und das Unwesen der Spekulation, 1804, bildete. R., der mit vielen führenden Freimaurern in persönlicher und brieflicher Verbindung stand, war 1800 in der Weimarer Loge Amalia, 1820 in Kiel, wo er die Loge Louise zur gekrönten Freundschaft erneuerte und deren Meister vom Stuhl wurde. Von ihm stammt auch ein maurer. Reformplan. R.s eigenständiger Beitr. zur Ausbildung der Phil. als Wiss. wurde wegen seiner Geltung als Bahnbrecher und Kommentator Kants in Deutschland lange Zeit übersehen.

W.: Ueber die gegenwärtige kath. Reformation in Oesterr., 1784; Herzenserleichterung zweyer Menschenfreunde, in vertraulichen Briefen über J. C. Lavaters Glaubensbekenntnis, 1785; Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens, 1789; Beytrr. zur Berichtigung bisheriger Missverständnisse der Philosophen, 2 Bde., 1790–92; Ueber das Fundament des philosoph. Wissens . . ., 1791; Auswahl vermischter Schriften, 2 Tle., 1796–97; Verhh. über die Grundbegriffe und Grundsätze der Moralität . . . 1, 1798; Ueber die Paradoxien der neuesten Phil., 1799; Beytrr. zur leichtern Uebersicht des Zustandes der Phil., beym Anfange des 19. Jh., 6 He., 1801–03; C. L. R.s Anleitung zur Kenntniß und Beurtheilung der Phil. in ihren sämmtlichen Lehrgebäuden, 1805; Grundlegung einer Synonymik für den allg. Sprachgebrauch in den philosoph. Wiss., 1812; Das menschliche Erkenntnißvermögen . . ., 1816; Aus J. Baggesen’s Briefwechsel mit K. L. R. und F. H. Jacobi, hrsg. von K. und A. Baggesen, 2 Tle., 1831; Wieland und R., hrsg. von R. Keil, 1885, S. 3 ff. (mit biograph. Einleitung); etc.; zahlreiche Abhh. u. a. in Wr. Realztg., Teutscher Merkur, Neues Dt. Mus., Berliner Ms. Hrsg.: Briefe über die Kant. Phil., 2 Bde., 1790–92.
L.: ADB; Eisler; Enc. Fil.; Nagl–Zeidler–Castle 2, s. Reg.; Wurzbach; Ziegenfuss; K. L. R.s Leben und literar. Wirken . . ., hrsg. von E. Reinhold, 1825; R. Keil, Wr. Freunde 1784–1808 ( = Beitrr. zur Geschichte der dt. Literatur . . . in Oesterr. 2), 1883 (mit biograph. Einleitung); M. v. Zynda, Kant – R. – Fichte ( = Kantstud., Erg. H. 20), 1911; P. Holzer, C. L. R.s Wandlungen, phil. Diss. Erlangen, 1924; H. Adam, C. L. R.s philosoph. Systemwechsel ( = Beitrr. zur Phil. 19), 1930 (mit Werksverzeichnis); M. Selling, Stud. zur Geschichte der Transzendentalphil. 1; K. L. R.s Elementarphil. in ihrem philosophiegeschichtlichen Zusammenhang . . ., 1938; P. Olivier, Zum Willensproblem bei Kant und R. ( = Philosoph. Abhh. 12), 1941; G. Durante, Gli epigoni di Kant, 1943; V. Verra, R. e le lettere su la filosofia kantiana ( = Studi e ricerche di storia della filosofia 5), 1951; A. Klemmt, K. L. R. s Elementarphil., 1958; K. Spickhoff, Die Vorstellung in der Polemik zwischen R., Schulze und Fichte 1792–94, 1961; E. Lennhoff – O. Posner, Internationales Freimaurerlex., (1965); A. Pupi, La formazione della filosofia di K. L. R. 1784–94 ( = Pubblicazioni dell’ Univ. cattolica del Sacro Cuore, Ser. 3, 11), 1966; Phil. aus einem Prinzip. K. L. R., hrsg. von R. Lauth ( = Conscientia 6), 1974; W. Teichner, Rekonstruktion oder Reproduktion des Grundes . . . Kant und R. ( = Conscientia 7), 1976, S. 163 ff. (mit Werks- und Literaturverzeichnis); A. Ph. König, Denkformen der Erkenntnis. Die Urteilstafel I. Kants in der Kritik der reinen Vernunft und in K. L. R.s Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens ( = Mainzer philosoph. Forschungen 22), 1980; K. L. R., Korrespondenzausg. . . ., hrsg. von R. Lauth et al., 1, 1983, siehe www.frommann-holzboog.de/editionen/1204
(E. Rosenstrauch)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 41, 1984), S. 47
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