Ressel, Josef (1793-1857), Erfinder und Forstmann

Ressel Josef, Erfinder und Forstmann. * Chrudim (Böhmen), 29. 6. 1793; † Laibach (Ljubljana), 9. 10. 1857. Sohn eines Mauteinnehmers; besuchte ab 1806 das Gymn. in Linz, war 1809–11 Zögling des Bombardierkorps in Budweis (České Budějovice), 1812–14 stud. er an der Univ. Wien Kameralwiss., Landwirtschaft mit Veterinärkde., allg. Technol., Chemie und Apothekerchemie, Naturgeschichte, Mechanik, Hydraulik und Zivilarchitektur. Aus der Wr. Zeit stammt auch bereits eine tw. umstrittene Zeichnung der Schiffsschraube von 1812. Er mußte aus finanziellen Gründen das Univ.Stud. aufgeben, konnte aber unter großen Entbehrungen mit einem Stipendium an der Forstakad. in Mariabrunn b. Wien seine Ausbildung 1816 abschließen. 1817 trat R. als Distriktsförster in Pletriach (Pleterje) in den Staatsdienst und lehrte daneben am Gymn. in Rudolfswert (Novo mesto) Kalligraphie. Bereits damals unternahm er auf der Gurk in der Gegend von Landstraß (Kostanjevica) erste Versuche mit der Schiffsschraube in einem Kahn mit Handantrieb. 1820/21 war er als Vizewaldmeister bei der Staatsgüterverwaltung Laibach, ab 1821 in Triest, 1824/25 war er in Laibach, danach wieder in Triest tätig. 1835 provisor. Oberförster in Montona (Motovun); 1839 trat R. in Venedig als Marinewaldagent in den Dienst der Kriegsmarine, war dann Marinewaldagent für Istrien und Veglia (Krk) mit Sitz in Montona, 1843 wieder in Venedig, 1845 in Disponibilität versetzt, 1848 als provisor. Unterintendant reaktiviert, 1849 Marineunterintendant, 1852 Marineforstintendant. Neben seiner beruflichen Tätigkeit als Forstmann – er kartierte u. a. alle Görzer und Flitscher Wälder, führte auf der Insel Veglia die ersten Wiederbewaldungsversuche mit Eichen durch und schlug die Kolonisierung des versumpften Deltas der Narenta vor – arbeitete R. unentwegt an der Entwicklung zahlreicher Ideen und an der Nutzbarmachung von Erfindungen, von denen er auf zehn Privilegien erhielt, darunter auf seine für die Menschheit bedeutendste (Privilegium n. 746, 1827): Schraube ohne Ende zur Fortbewegung der Schiffe (Schiffsschraube). Diese wurde in einem Großversuch im Dampfschiff „Civetta“ im Oktober 1829 im Hafen von Triest erprobt. Leider beendete damals eine aufgegangene Lötstelle an der Dampfmaschine die erfolgreich begonnene amtliche Probefahrt. R. hatte bis dahin als einziger Erfinder die Schraube an der heute allg. üblichen Stelle zwischen Achtersteven und Ruderbl. des Schiffes angebracht. Durch finanzkräftigere Leute tauchte bald nach R.s Tod die Schiffsschraube in England und anderen Ländern auf, ohne Hinweis auf R.s Erfindung. Von seinen Entwürfen ragen verschiedene Pressen und Dampfmaschinen, ein Lager ohne Reibung und Schmiere – ein Vorläufer der heutigen Wälz- und Kugellager — und ein Dampffuhrwerk für Personen- und Warenbeförderung hervor. 1821 beschäftigte sich R. mit der pneumat. (atmosphär.) Briefpost (Rohrpost), die er 1827 weiterentwickelte und 1847 zur Reife brachte. Auf chem. Gebiet erfand er u. a. eine neue Methode zur Seifenherstellung, ein chem. Heizmittel für Dampfmaschinen und einen Apparat, mit dessen Hilfe aus Vegetabilien Färbeund Gerbstoffe extrahiert werden konnten – eine Erfindung, die R. etwas Geld einbrachte. Er entwarf auch neuartige Windmühlen etc. R. verfaßte zahlreiche Abhh. u. a. über die Schiffahrt auf den Meeresströmungen, 1841, über die Benützung der unentgeltlichen Naturkräfte (Wasserkraft), 1846, die Verwendung von Eisen zur Herstellung von Schiffsrippen, eisernen Schiffen, Deckstreben und Brükkenteilen, 1847, über Konservierung der Hölzer von Schiffen, 1854, des Leder- und Schuhwerks, 1854, die Geschichte der Marinewälder, 1855, die Geschichte der Schiffsschraube, 1857, und über Mathematik und Geometrie.

Erteilte Privilegien: Preßwalzen-Maschine, 1826, n. 428; Mechanismus zur Befahrung der Flüsse stromaufwärts und seitwärts, welcher die Wasserkraft ausnützt, 1826, n. 742; Wein- und Ölpresse mit Schraube ohne Mutter . . ., 1827, n. 1274; Dampfmühle nach einem neuen System mit hohlen metallenen Zylindern zur Vermahlung des Getreides, 1827, n. 743; einfacher Apparat um aus den geeigneten Vegetabilien den Färbe- und Gärbestoff zu extrahieren . . ., 1828, n. 744; hydraul. Dampfmaschine unter Verwendung von Wasser und Quecksilber sowie eines Dampfkessels in Form eines Röhrenapparates, 1828, n. 745; Lager ohne Reibung und Schmiere, neue einfache und dauerhafte Zapfenlager für Wellbäume bei Maschinen- und Wagenachsen, 1829, n. 429; Dampffuhrwerk (Straßenlokomotive mit Dampfbetrieb) zur Personen- und Warenbeförderung sowohl in den Städten als auch auf dem Lande, 1832, n. 1324; Dampfschiff-Betriebsmechanismus, 1851, n. 5813; Dampfschiff-Betriebsmechanismus, neuer Mechanismus zum Betriebe der Dampfschiffe nach dem Fischschwanzprinzip, 1851, n. 1048. – Weitere Erfindungen: Boussole, 1823, verbessert 1842; Sudhausanlagen, 1830; regenerierende Dampfmaschine, 1837; Entwurf eines atmosphär. Rollbahnsystems zur Ersparung der Eisenbahnschienen, 1842; Pflug, 1843; transportabler opt. Feldtelegraph für die Armee, 1845; pneumat. Apparat zur Beförderung von Mineralien und Menschen (Vorläufer der heutigen Aufzüge), 1850; neuartiges zweirädriges Kabriolett, 1854; Holzgraduator zur Qualitätsbestimmung der Hölzer, 1856; Schiffskanonenlafette mit exzentr. Rädern zur Hemmung des Rückstoßes, 1858; etc. – Publ.: Projekt über die Verwendung des Geländes am Narentalauf, 1831; Finanzplan, entworfen zur Tilgung der Nationalschuld . . ., 1848; Navigation auf den Seeströmungen, 1853; etc. Nachlaß, Techn. Mus. für Ind. und Gewerbe, Wien.
L.: Die Centenarfeier der Geburt R.s, in: Centralbl. für das gesammte Forstwesen 19, 1893, S. 386 ff.; A. Wess, J. R., in: Bll. für Technikgeschichte 19, 1957, S. 1 ff.; H. Kuhn, J. R. als Forstmann, in: Allg. Forstztg. 68, 1957, S. 305 ff.; Pomorstvo, 1958, n. 1/2; Nova proizvodnja, 1958, S. 1 ff.; E. Marschner, Der Tod von J. R., Erfinder der Schiffsschraube, in: Archiv für Sippenforschung und alle verwandten Gebiete 34, 1968, S. 401 ff.; V. Murko, Novi podatki o R. delovanju v naših gozdovih, in: Gozdarski vestnik, 1971, S. 335 ff.; ders., Staro in novo o življenju in delu J. R., in: Zbornik za zgodovino naravoslovja in tehnike 1, 1971, S. 135 ff.; ders., J. R. – Neue Angaben und ungelöste Probleme, in: Bll. für Technikgeschichte 34, 1973, S. 1ff.; F. Jurhar, Gozdarska spominska obeležja J. R., in: Gozdarski vestnik, 1978, S. 242 f.; Kosch, Kath. Deutschland; N. Österr. Biogr. 9, 1956, S. 84 ff.; Poggendorff 2; SBL; Wurzbach; E. Reitlinger, J. R., der Erfinder des Schrauben-Dampfers, 1863; Denkschrift . . . J. R., 1893; K. Tanzer, Österr. Erfinder, 1934; Österr. Naturforscher und Techniker, Neuausg. 1951, S. 158 f.; J. Pfragner, Die Unglücksfahrt der Civetta, (1954), (belletrist.); R. Eger, Genie ohne Erfolg, (1957), S. 117 ff.; F. Sevnik–A. Struna, J. R. 1793–1857. Inventor of the Vessel Screw, Forester and Economist, 1957, auch slowen.; V. Murko, J. R. Življenje in delo, 1957 (mit Werks- und Literaturverzeichnis); Bassoe–Hejken, Eroberer der Meere, (1966), (belletrist.); R. Keimel, J. R. – Sein Leben und Werk, Kat. der Internationalen Sonderausst. Techn. Mus. Wien, Slowen. Techn. Mus. Laibach, Techn. Nationalmus. Prag, 1971; E. Marschner, J. R. – Erfinder der Schiffsschraube ( = Geneal. und Landesgeschichte 33), 1979; W. Miksch, Zwischen Rad und Schraube, 2. Aufl. ( = Das große Abenteuer 16), o. J.; KA Wien.
(R. Keimel)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 41, 1984), S. 89f.
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