Ridler, Johann Wilhelm (1772-1834), Bibliothekar, Historiker und Erzieher

Ridler Johann Wilhelm, Historiker, Erzieher und Bibliothekar. * Leitmeritz (Litoměřice, Böhmen), 12. 4. 1772; † Wien, 23. 1. 1834. Sohn eines Beamten, der vorher als Off. gedient hatte; absolv. ab 1787 an der Univ. Prag die philosoph. Jgg., brach jedoch das darauf folgende Stud. der Rechte ab und ging 1791 als Erzieher (1795–1804 im Haus des Großhändlers Frh. v. Natorp) nach Wien, wo er seine Stud. vor allem unter Hammer-Purgstall (s. d.) fortsetzte. Über dessen Vermittlung suppl. R. einige Jahre die Lehrkanzel für Universal- und österr. Staatengeschichte an der Univ. Wien, ab 1804 Prof., ab 1806 (Dr. phil) auch der Diplomatik und Heraldik, 1811/12 und 1823/24 Dekan, 1829/30 Rektor. 1807– 09 stand R. im Hofdienst als Erzieher – u. a. des Erzh. Franz Karl und des späteren K. Ferdinand I. (beide s. d) – und als Lehrer der Weltgeschichte, u. a. der Erzhgn. Maria Luise und Leopoldine (beide s. d); 1809 Reg.Rat und (bis 1814) Mitgl. der Stud.Hofkomm. 1814 bis zu seinem Tode wirkte er als Vorsteher der Wr. Univ.Bibl. R. war als Univ.Lehrer weniger bedeutend (sein Schüler Grillparzer, s. d., lobte zwar sein Fachwissen, hat ihm aber in der Person des Rates Rimbold in dem Lustspiel „Die unglücklichen Liebhaber“ ein iron.-karikierendes Denkmal gesetzt), ist aber als patriot. Fachschriftsteller (vor allem auf dem Gebiet der Biographik) und als Begründer (gem. mit Veith) und Red. des „Oesterreichischen Archivs für Geschichte . . . “ zu nennen. Seine eigentliche Bedeutung liegt jedoch in der Reform der Univ.Bibl., an der er als erster selbsttätiger Leiter durch Planung des 1829 fertiggestellten Erweiterungsbaues, Systemisierung und soziale Besserstellung auch der niederen Beamten, Heranbildung selbständiger Bibliothekare, Aufstellung einer Handbibl. im Lesesaal, vor allem aber durch seinen entscheidenden Anteil an der Abfassung der „Bibliotheken-Instruktion“ (1824), die ab 1825 für fast 100 Jahre für alle Bibl. des Kaiserstaates verbindlich blieb, die Grundlagen für eine neue, entwicklungskräftige Organisation schuf.

W.: Rückerinnerung an Österr. Helden, in: Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst 1–3, 1810–13; Über die Nothwendigkeit und die Vortheile einer Akad. der Wiss. im österr. Kaiserstaat, ebenda, 2, 1811; Die Thermopylen der karn. Alpen, ebenda, 2, 1811, auch in: Taschenbuch für die vaterland. Geschichte 2, 1812; Über die wechselseitigen Verpflichtungen der österr. Völker, in: Taschenbuch für die vaterländ. Geschichte 2, 1812 (Rede); Österr. Kriegsscenen, ebenda, 2, 1812; Th. Hänke, ebenda, 2, 1812; Erinnerungen aus der Vorzeit der vaterländ. Geschichte, ebenda, 2, 1812; Die scandinav. Halbinsel und ihre Bewohner, in: Dt. Mus. 1, 1812; Darstellung des Lebens und Wirkens dreyer hochgesinnten Männer Oesterr. . . . Gf. R. v. Wrbna . . . Gf. I. C. v. Chorinsky . . . Gf. P. v. Lazansky . . ., 1823; Die k. k. Univ.-Bibl. in Wien, in: Neues Archiv für Geschichte, Staatenkde., Literatur und Kunst 2, 1830; zahlreiche Aufsätze und Nekrologe, u. a. in Wr. Ztg. und Oesterr. Beobachter; etc. Hrsg.: Oesterr. Archiv für Geschichte, Erdbeschreibung, Staatenkde., Kunst und Literatur, 3 Jgg., 1830–33.
L.: Der Oesterr. Zuschauer vom 11. 4. 1838; C. Veith, Erinnerungen an J. W. R. . . ., in: Mitth. aus Wien, 1834, Bd. 3, S. 145 ff., selbständig 1835; K. Glossy, Hormayr und K. Pichler, in: Jb. der Grillparzer-Ges. 12, 1902, S. 283, 287, 305 f.; A.Jesinger, Die Univ.Bibl. Wien, in: Zentralbl. für Bibl. Wesen 43, 1926, S. 453 ff.; Graeffer-Czikann; Wurzbach; Neuer Nekrolog der Dt. 12, 1836, S. 73 ff.; F. Grassauer, Hdb. für österr. Univ.- und Stud.-Bibl. . . ., 1883, S. 36; C. v. Pichler, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben, hrsg. von E. K. Blümml, 1–2 ( = Denkwürdigkeiten aus Altösterr. 5–6), 1914, s. Reg.; F. Grillparzer, Sämtliche Werke, hrsg. von A. Sauer, Abt. 1, 16, (1925), S. 85, 229, 290, 383; A. Jesinger, Kat. und Aufstellung der Wr. Univ.-Bibl. . . ., 1926, S. 33 ff.; H. Alker, Geschichte der Sachkatalogisierung an der Univ.Bibl. Wien 1774–1954, in: Bibl. Bibliothekar. Bibl. Wiss. FS J. Vorstius, 1954, S. 122 f.; G. Bräu, Personalbibliographien von Prof. der Philosoph. Fak. zu Wien im ungefähren Zeitraum von 1787 bis 1820 . . ., medizin. Diss. Erlangen-Nürnberg, (1971), S. 44 ff.; W. Pongratz, Geschichte der Univ. Bibl. Wien, 1977, s. Reg.; Allg. Verw. A., Finanz- und Hofkammerarchiv, beide Wien.
(H. Reitterer)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 42, 1985), S. 134f.
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