Rietsch, Heinrich; früher Löwy (1860-1927), Musikwissenschaftler und Komponist

Rietsch Heinrich, Musikwissenschafter und Komponist. * Falkenau a. d. Eger (Sokolov, Böhmen), 22. 9. 1860; † Prag, 12. 12. 1927. Hieß bis 1883 Löwy. Sohn eines Notars; erhielt von seiner Mutter den ersten Musikunterricht, der in der Folge von anderen Lehrern ergänzt wurde. 1878–82 stud. R. an der Univ. Wien Jus (1883 Dr. jur.), hörte aber auch 1882–84 musikwiss. Vorlesungen bei G. Adler, nach eigenen Angaben auch beiHanslick und Bruckner (alle s. d.) und stud. daneben Musiktheorie bei F. Krenn, Mandyczewski und R. Fuchs (alle s. d.). 1883 trat er in den Dienst der niederösterr.Finanzprokuratur, arbeitete jedoch auch auf musikwiss. Gebiet weiter. 1895 Priv.Doz. für Musikwiss. an der Univ. Wien, 1900 ao. Prof. an der Dt. Univ. Prag, 1905 Tit. o. Prof., 1909 o. Prof., 1915/16 Dekan, 1927 Rektor. R. gründete in Prag das Musikwiss.Inst., leitete den Dt. Kammermusikver. und hielt öff. Vorträge. Seine Hauptarbeitsgebiete waren das ältere dt. Lied, das Volkslied, die Instrumentalmusik des Barock, musikästhet. Fragen und die Musik seiner Zeit, die er wahrscheinlich als erster wiss. untersucht und in Vorlesungen behandelt hat (Reger, Schönberg,Strawinsky). R., der trotz jüd. Abstammung ein glühender Dt.-Nationaler war, dürfte zeitlebens im Schatten Adlers gestanden sein, neben den an die Univ. Wien zu kommen ein unerfüllter Wunsch blieb. Die Musikwiss. verdankt R. Pionierleistungen; auch als Komponist (32 gedruckte Werke) hatte er beachtliche Erfolge.

W.: Die Mondsee-Wr. Liederhs. und der Mönch von Salzburg, gem. mitF. A. Mayer. 2 Tle. ( = Acta Germanica 3/4, 4), 1894–96; A. Bruckner, in: Biograph. Jb. 1, 1897; Die Tonkunst in der 2. Hälfte des 19. Jh. ( = Breitkopf & Härtels musikwiss. Arbeiten von dt. Hochschulen 3), 1900, 2. Aufl. 1906; Die dt. Liedweise, 1904; Die Grundlagen der Tonkunst ( = Aus Natur und Geisteswelt 178), 1907, 2. Aufl. 1918; 85 Variationen über Diabellis Walzer, in: Beethovenjb. 1, 1908; Zum Unterschied der älteren und neueren dt. Volksweisen, in: Jb. der Musikbibl. Peters 18, 1911; Der „Concentus“ von J. J. Fux, in: Stud. zur Musikwiss. 4, 1916; Einiges aus meinem Lebensgang, in: Neue Musik-Ztg. 37, 1916; Atonalität, in: Hochschulwissen 4, 1927, S. 607 ff.; etc. Hrsg.: G. Muffat, Florilegium primum für Streichinstrumente ( = Denkmäler der Tonkunst in Österr. 2), 1894; ders., Florilegium secundum für Streichinstrumente ( = Denkmäler . . . 4), 1895; Gesänge von Frauenlob, Reinmar von Zweter und Alexander . . . ( = Denkmäler . . . 41), 1913; J. J. Fux, Concentus musicoinstrumentalis . . . ( = Denkmäler . . . 47), 1916. Kompositionen: Tauferer-Serenade, op. 25; Münchhausen (symphon. Dichtung); Walther von der Vogelweide (Oper); Bearbeitungen fremder Tonstücke; Kammermusik; Klaviermusik; Lieder; Orchesterlieder; etc.
L.: Prager Tagbl. und Dt. Ztg. Bohemia vom 13. 12. 1927; P. Nettl, H. R. in: Z. für Musikwiss. 2, 1919/20, S. 736 ff. (Werksverzeichnis); ders., H. R., in: Der Auftakt 1, 1920/21, S. 56 ff.; Th. Veidl. H. R., ebenda, 4, 1924, S. 254 ff.; R. Haas, Der Musikgelehrte H. R., ebenda, 8, 1928, S. 18 f.; P. Nettl, H. R. †. in: Z. für Musikwiss. 10, 1928, S. 193 ff.; G. Jungbauer, Dr. H. R., in: Das dt. Volkslied 30, 1928, S. 44 f.; Černušák-Štědroň-Nováček; Grove, 1980; Kosch, Kath. Deutschland; Kosel 2; MGG; Riemann, 12. Aufl.; R. Quoika, Die Musik der Dt. in Böhmen und Mähren, ( 1956), s. Reg.; Th. Atcherson, Ein Musikwissenschaf tler in zwei Wellen. Die musikwiss. und literar. Arbeiten von P.Nettl, ( 1962), S. 5 f., 10 ff.
(Th. Antonicek)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 42, 1985), S. 159
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