Riotte, Philipp Jakob (1776-1856), Komponist und Kapellmeister

Riotte Philipp Jakob, Komponist und Kapellmeister. * St. Wendel, Saarland (BRD), 16. 8. 1776; † Wien, 20. 8. 1856. Sohn eines Lehrers; wirkte schon seit seiner frühesten Jugend als Sängerknabe bei der Kirchenmusik seiner Heimatstadt mit und lernte Violine und Violoncello, später auch Klavier und Orgel. Ab 1793 als Organist in Trier, ab Ende 1794 in Blieskastei, erhielt er ab 1800 den ersten geregelten Kompositionsunterricht bei Arnold in Frankfurt a. M. und war schließlich bis 1805 Schüler Andrés in Offenbach, wo er 1803 auch seine ersten Instrumentalkompositionen hrsg. Nach einer Zeit der Wanderschaft als Kapellmeister einer Schauspieltruppe war R. 1806 in Danzig (Gdańsk) und 1807 in Magdeburg als Musikdir. tätig; ab 1808 lebte er in Wien. Das Schwergewicht von R.s kompositor. Schaffen der ersten Wr. Jahre lag auf dem Gebiet der Kammermusik, die er meist hochgestellten adeligen Persönlichkeiten – aber auch Beethoven (s. d.) – widmete. 1818–21 und 1826–28 Vizekapellmeister am Theater a. d. Wien, war R. bes. mit seinen Kompositionen für die Kinderballette Horschelts (s. d.) erfolgreich. Seine meist an den Wr. Vorstadtbühnen (Theater a. d. Wien, Josefstädtertheater, bes. aber Leopoldstädtertheater) aufgef. überaus zahlreichen Bühnenwerke aller Art (wie Opern, Singspiele, Ballette, Pantomimen, Schauspielmusiken, Musik zu Zauberspielen – hier ist vor allem diejenige zu Raimunds, s. d., „Moisasurs Zauberfluch“, 1827, zu nennen –), machten R. durch zwei Jahrzehnte zu einem der meistgespielten Komponisten Wiens. 1835/36 als Kapellmeister in Preßburg (Bratislava), komponierte er ab 1840 nur noch gelegentlich (1850 erfolgreiche Auff. seines Oratoriums „Der Sieg des Kreuzes“) und betätigte sich als Privatlehrer für Klavier und Gesang (die Opernsängerin P. v. Stradiot war 1842–44 seine Schülerin). R. war ein Kleinmeister in der Nachfolge der Wr. Klassik, der dem Musikbedürfnis und -verständnis der Epoche durch größte Produktivität, aber auch durch populäre Schreibweise entsprach.

W.: Pietro und Elmira, 1807 (Oper); Die Schlacht bey Leipzig, (1814) (charakterist. Tongemälde für Klavier); Die Redoute, 1818 (Kinderballett); Der Berggeist, 1818 (Ballett); Azendar, 1820 (kom. Melodram); Elisene, 1819 (Kinderballett); Euphemie von Avogara, 1823 (Oper); Schauspielmusik zu J. A. Gleich, Der Leopard und der Hund, 1823; Nuredin, 1823 (Oper); Staberl als Freischütz, 1826 (parodierende Posse); Vetter Lucas von Jamaica, 1828 (kom. Oper); Die geschwätzige Stumme von Nußdorf, 1830 (parodierende Posse); Der Sturm, 1833 (romant. Oper, Text nach Shakespeare von J. G. Seidl); Der Postillon von Stadelenzersdorf, 1838 (parodierende Posse); 2 Symphonien; geistliche und weltliche Chorwerke; Kammermusik; Klavierwerke; Lieder; Solokonzerte für Klavier, Flöte, Klarinette; Smlg. von Tänzen für verschiedene Besetzungen; etc. – Autobiographie, 1826, Manuskript, Archiv der Ges. der Musikfreunde, Wien.
L.: Wr. Vorstadt-Ztg. vom 26. 8., Neue Wr. Musik-Ztg. vom 9. 10. 1856; Wr. Ztg. vom 21. 8. 1956; ADB; Eitner; Grove, 1980; Mendel-Reissmann; MGG; Riemann, 12. Aufl.; Schilling; Wurzbach; H. K. Schmitt, Dem Andenken eines Vergessenen . . ., in: Heimatbuch des Kr. St. Wendel 1948, 1948, S. 60 ff.; A. Bauer, Opern und Operetten in Wien ( = Wr. musikwiss. Beitrr. 2), 1955, s. Reg.; G. Spengler, Der Komponist Ph. J. R. am St. Wendel. Sein Leben und seine Instrumentalmusik, phil. Diss. Saarbrücken, 1973 (mit Werks- und Literaturverzeichnis); F. Stieger, Opernlex. 2/3, 1978.
(I. Fuchs)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 42, 1985), S. 172
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