Rizzi, Lodovico (Ludwig) (1859–1945), Politiker

Rizzi Lodovico (Ludwig), Politiker. Geb. Pola, Istrien (Pula, HR), 20. 2. 1859; gest. ebd., 1. 3. 1945; röm.-kath. Sohn des Politikers und Bürgermeisters von Pola Nicolò Rizzi (1818–1898). – Nach dem Besuch des Staats-Gymnasiums mit italienischer Unterrichtssprache in Capodistria (Koper) studierte R. Jus in Wien (1877‒78) und Graz (1878–83). Der 1883 promovierte Jurist eröffnete eine Kanzlei in seiner Heimatstadt Pola und übernahm 1889 das Amt des Bürgermeisters im Zentralkriegshafen der Monarchie. R. praktizierte eine Machtteilung zwischen lokaler Zivilbevölkerung und Kriegsmarine, die dem Ausbau der kommunalen Infrastruktur zugutekam (bis 1904). 1902 besuchte ihn der Schriftsteller Gabriele d’Annunzio. Allerdings hielt sich der Bürgermeister vom radikalen Vereinsirredentismus fern. Pola entwickelte sich in seiner Amtszeit zur heimlichen Hauptstadt der Markgrafschaft Istrien. Ununterbrochen Reichsrats- (ab 1889) und Landtagsabgeordneter (ab 1894), vertrat der politisch moderate Landeshauptmann R. (ab 1903) die italienischen Interessen zwischen Kriegsmarine in Pola, Statthalterei in Triest und Regierung in Wien. Ungeachtet italienisch-radikaler Kritik kooperierte R. mit seinem politischen Gegenüber, dem österreichischen Staat, und hielt gleichzeitig den Anspruch auf politisch-kulturelle Hegemonie der Italiener über Istrien aufrecht. Die Geschäfte der autonomen Landesverwaltung führte R. in Parenzo (Poreč). Er setzte 1908 eine italienisch-slawische Landtagswahlreform (und in Pola einen nationalen Ausgleich) durch. Die fortgesetzten Verhandlungen zwischen Italienern und Slawen erbrachten jedoch keinen umfassenden Landeskompromiss, sodass die Arbeit des Istrianer Landtags 1910 zum Erliegen kam. Nach dem Kriegseintritt Italiens wurden 1916 der Istrianer Landtag und der Landesausschuss aufgelöst; eine Landesverwaltungskommission übernahm nun die staatliche Zwangsadministration Istriens. Während politische Freunde sich ins Königreich Italien abgesetzt hatten, lebte R. während des 1. Weltkriegs überwiegend in Triest. Nach dem Ende des Kriegs verhinderten radikale italienische Gegner R.s Ernennung zum Senator Italiens. Die „Italianissimi“ nahmen sein Porträt nicht in die Ahnengalerie des küstenländischen Irredentismus auf. R. hielt zunächst Abstand zum politischen Leben, stellte sich aber 1923 vorübergehend der ersten Koalitionsregierung Mussolini zur Verfügung. Als jedoch faschistische Kräfte in der Stadt Pola zur Disposition standen, wurde er fallengelassen.

L.: S. Cella, in: Atti e Memorie della Società Istriana di Archeologia e Storia Patria, Nuova Ser. 6, 1958, S. 171ff. (m. B.); ders., in: Pagine istriane, Ser. 3, 9, 1958, Nr. 33–34, S. 12ff.; A. Ara, Ricerche sugli austro-italiani e l’ultima Austria, 1974, s. Reg.; L. Riccardi, F. Salata tra storia, politica e diplomazia, 2001, s. Reg.; F. Wiggermann, K. u. K. Kriegsmarine und Politik, 2004, s. Reg.; R. Marsetič, Il cimitero civico di Monte Ghiro a Pola, 2013, S. 115 (m. B.), 216; UA, Graz, Steiermark; UA, Wien.
(F. Wiggermann)   
Zuletzt aktualisiert: 15.11.2014  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 3 (15.11.2014)