Roller, Julius (1862-1946), Jurist und Politiker

Roller Julius, Jurist und Politiker. * Thomigsdorf (Damníkov, Böhmen), 29. 10. 1862; † Wien, 27. 12. 1946. Sohn eines Landwirtes; stud. 1880–84 an der Univ. Wien Jus, 1891 Dr. jur. Ab 1885 im Staatsdienst, war er zunächst Richter in verschiedenen Orten in Böhmen, 1898 Gerichtsvorsteher in Hohenelbe (Vrchlabí), 1907 LGR, 1912 Rat des Oberlandesgerichtes Prag, 1918 HR. Neben seiner richterlichen Tätigkeit widmete sich R. der Politik. 1907–18 Reichsratsabg. (Dt.radikale Partei), 1908 böhm. Landtagsabg. In der Republik Österr. 1918/19 und ab Juli 1920 Staatssekretär für Justiz, bzw. vom 10.–20. 11. 1920 Bundesminister für Justiz, hatte er in dieser Funktion die verantwortungsvolle Aufgabe, die Justiz auf die neue Staatsform und das neue österr. Staatsgebiet umzustellen. Ab 1919 war er – ausgenommen die Zeit seiner Tätigkeit als Staatssekretär bzw. Bundesminister – Erster Präs. des neugeschaffenen österr. Obersten Gerichtshofes. Als solcher führte R. nicht nur die Organisation des neuen österr. obersten Gerichtes durch, sondern nahm auch an der Judikatur als Vorsitzender in Senaten lebhaften Anteil. Es dürfte wohl auch zum Großteil sein Verdienst sein, daß in dem Grundgesetz über die richterliche Gewalt der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit festgelegt wurde. Er zog auch als erster die Standesorganisation der Richter zur Beratung und Besprechung neu einzubringender wichtiger Gesetzesvorlagen zu.

W.: Zeitfragen des Familienrechts, in: Allg. österr. Gerichtsztg. 72, 1921; Der Oberste Gerichtshof, ebenda, 72, 1921; Geldentwertung, Rechtssprechung und Gesetzgebung, 1924; Eherechtsangleichungen, 1929; Rechtsangleichung: Die nächsten Aufgaben, 1930; Der erweiterte Waffengebrauch, in: Wr. Allg. Forst- und Jagd-Ztg., 1932; etc.
L.: RP vom 1. 11. 1918; Wr. Ztg. vom 8. 7. 1920, 27. 10. 1932 und 7. 1. 1947; Wr. Neueste Nachrichten vom 26. 10. 1932 und 27. 10. 1942; Wr. Kurier vom 7. 1. 1947; Allg. Österr. Gerichts-Ztg. 69, 1918, S. 323, 70, 1919, S. 104, 71, 1920, S. 180, 79, 1928, S. 7 f.; Freund, 1911; Knauer; Masaryk; Otto, Erg.Bd. V/1; A. Wilhelm, Die Reichsrats-Abg. des allg. Wahlrechtes, 1907; F. Dinghofer, 80 Jahre Oberster Gerichtshof, 1930, S. 24 ff.; O. Leonhard, Aus der Geschichte des Obersten Gerichtshofes, in: FS zur 100-Jahrfeier des österr. Obersten Gerichtshofes 1850–1950, 1950, S. 201, 204; G. Berka, 100 Jahre Dt. Burschenschaft in Österr. 1859–1959, 1959, s. Reg.; O. Knauer, Österr. Männer des öff. Lebens von 1848 bis heute, 1960.
(R. Harlfinger)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 43, 1986), S. 226
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