Sander, Fritz (1889-1939), Rechtssoziologe

Sander Fritz, Rechtssoziologe. * Wien, 8. 6. 1889; † Prag, 3. 10. 1939. Stud. 1907–1911 Jus an der Univ. Wien, 1912 Dr. jur.; lehrte 1918–22 Verfassungsund Verwaltungslehre und Statistik an der Hochschule für Welthandel in Wien, 1920 Habil, für allg. Staatslehre, Rechtsphil, und deren Geschichte an der Univ. Wien. 1921 ao., 1926 o. Prof. an der Dt. Techn. Hochschule in Prag. 1931 wurde er o. Prof. für allg. Staatslehre, tschechoslowak. Verfassungsrecht, Verwaltungslehre und tschechoslowak. Verwaltungsrecht an der Dt. Univ. Prag, 1933/34 Dekan. Mitgl. der staatswiss. Staatsprüfungskomm. 1938 vermittelte er beim Versuch einer Neugestaltung des tschech.-dt. Verhältnisses zwischen der tschechoslowak. Regierung und der Verhandlungsdelegation der Sudetendt. Partei. S.s ideenreiche, aber oft schwer lesbare Werke enthalten wertvolle Anregungen vor allem für die Staatslehre und die Staatsund Rechtsphil. Von der Wr. Normativen Schule seines Lehrers Kelsen, deren Anhänger er ursprünglich war, entfernte er sich später und wurde zum Begründer einer soziolog. Rechtsschule. Der erbitterte Streit mit Kelsen, der auch persönliche Formen annahm, wurde 1930 beigelegt. U. a. Mitgl. der Dt. Ges. der Künste und Wiss. in Prag sowie der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphil, in Berlin.

W.: Rechtsdogmatik oder Theorie der Rechtserfahrung? Krit. Stud. zur Rechtslehre H. Kelsens, in: Z. für öff. Recht 2, 1921, auch selbständig; Staat und Recht ( = Wr. Staatswiss. Stud., NF 1), 1922; Kelsens Rechtslehre. Kampfschrift wider die normative Jurisprudenz, 1923; Die Bedrohung der Dt. Hochschulen in der Tschechoslowak. Republik, 1926; Allg. Ges. Lehre, 1930; Vorschläge für eine Revision der Verfassungsurkunde der Tschechoslowak. Republik, 1933; Das Problem der Demokratie, 1934, Neudruck 1979; Verfassungsurkunde und Verfassungszustand der Tschechoslowak. Republik ( = Rechts- und staatswiss. Abhh. 9), 1935; Allg. Staatslehre, 1936; Grundriß des Tschechoslowak. Verfassungsrechtes, 1938; zahlreiche Abhh. in Fachz., u. a. in Archiv des öff. Rechts, Archiv für Sozialwiss. und Sozialpolitik, Archiv für Rechts- und Sozialphil., Jb. des öff. Rechts, Revue internationale de la théorie du droit, Z. für öff. Recht.
L.: Všehrd, 1939, S. 333; R. Dolp, Die Rechtslehre F. S.s. in: Österr. Z. für öff. Recht, NF 5, 1952. S. 192 ff.; ders., F. S.s soziolog. Staats- und Völkerrechtslehre, ebenda, NF 28, 1977, S. 231 ff.; Kürschner, Gel. Kal, 1926–35; Masaryk (s. S. Friedrich); Otto, Erg. Bd. V/2 (s. S. Bedřich); L. Wiese, System der Allg. Soziol., 2. Aufl. 1933, s. Reg.; Internationales Soziologenlex., hrsg. von W. Bernsdorf und H. Knospe, 1959; R. A. Métall, H. Kelsen, 1969, s. Reg.; A. Hancke, Augenzeuge einer Tragödie. Diplomatenjahre in Prag, 1977, S. 121; Die Rolle des Neukantianismus in der Reinen Rechtslehre. Eine Debatte zwischen S. und Kelsen, hrsg. von S. L. Paulson, 1988; U A Wien.
(He. Slapnicka)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 45, 1988), S. 411
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