Sandrock, Adele (1863-1937), Schauspielerin

Sandrock Adele, Schauspielerin. * Rotterdam (Niederlande), 19. 9. 1863; † Berlin, 30. 8. 1937. Tochter eines ehemaligen Off. und späteren Kaufmannes und einer Schauspielerin, von der sie – ebenso wie ihre Schwester Wilhelmine (1862–1948) – Schauspielunterricht erhielt; 1878 debut. S. am Privattheater Urania in Berlin in Birch-Pfeiffers „Mutter und Sohn“, 1880 war sie kurze Zeit am Hoftheater Meiningen engagiert, nach Tourneen 1885/86 in Wr. Neustadt (NÖ) ab 1887 am Dt. Theater in Budapest. In der Rolle der Isabella in „Der Fall Clemenceau“ von Dumas-D’Arthois gelang ihr 1889 am Theater a.d. Wien der künstler. Durchbruch; 1889–95 war sie am Dt. Volkstheater, 1895–98 am Hofburgtheater, an dem 1884–98 auch ihre Schwester wirkte, engagiert. Ihre differenzierte Darstellung trag. Rollen im klass. Fach sowie ihr Einfühlungsvermögen in moderne Bühnenfiguren wie jene Ibsens und Schnitzlers, dem sie – ähnlich wie ihrem Verlobten Roda Roda (s. Roda) – auch als Vorbild für einige Bühnengestalten diente, ließen S. zum Star der Wr. Theaterszene avancieren, dessen Temperament jedoch nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Privatleben (in Skandalen und Vertragsbrüchen) zur Geltung kam. So verließ S. 1898 mit einem Eklat das Burgtheater und begab sich auf Tournee, die sie durch große Teile Europas führte. 1902–05 wirkte sie wieder in Wien am Dt. Volkstheater und anderen Bühnen, vermochte jedoch ihre Erfolge nicht zu wiederholen. 1905 übersiedelte sie nach Berlin, wo sie bis 1910 an Reinhardts (s. d.) Dt. Theater engagiert war, daneben auch weiterhin ihre Gastspielreisen fortsetzend. Mit ihrem Abgang vom Hofburgtheater war jedoch ihre Karriere ins Stocken geraten, woran auch Auftritte als Hamlet (1899) und ein Versuch im Gesangsfach als Gounods Margarethe (1904) nichts ändern konnten. Erst 1920 wurde S. durch ihre Darstellung der Lady Bracknell in Wildes „Bunbury“ für das Fach der kom. Alten entdeckt und begann damit ihre zweite Karriere. Zunächst in Stummfilmen erfolgreich, feierte sie später in einer großen Zahl von Tonfilmen vor allem des leichten Genres durch ihre unnachahmliche Komik Triumphe, die ihr zu bleibendem Ruhm verhalfen.

Hauptrollen (Theater): Magda (H. Sudermann, Heimat); Rebekka West (H. Ibsen, Rosmersholm); Emilia, Orsina (G. E. Lessing, Emilia Galotti); Luise, Lady Milford (F. v. Schiller, Kabale und Liebe); Maria Stuart (ders., Maria Stuart); Sappho (F. Grillparzer, Sappho); Medea (ders., Medea); Anna (W. Shakespeare, Kg. Richard III.); Gfn. Geschwitz (F. Wedekind, Die Büchse der Pandora); Fanny Theren (A. Schnitzler, Das Märchen); Christine (ders., Liebelei); etc. – Filmrollen in: Kinder der Finsternis, 1920, Lukrezia Borgia, 1922, Das große Los, 1927 (alle Stummfilme); Der Kongreß tanzt, 1930; Frühjahrsparade, 1934; Alles hört auf mein Kommando, 1934; Amphitryon, 1935; Eva, 1935; Skandal um die Fledermaus, 1936; Die Puppenfee, 1936; Rendezvous in Wien, 1936; etc. – Publ.: Mein Leben, ergänzt und hrsg. von W. Sandrock, (1940).
L.: Neues Wr. Tagbl. vom 15. 9. 1890 und 31. 8. 1937; Neues Wr. Journal vom 18. 10. 1898; N. Fr. Pr. vom 12. 8. 1904, 12. 2. 1911, 31. 8. und 9. 9. 1937; Volks-Ztg. vom 31. 8. 1937, J. J. David, A. S., in: Bühne und Welt 1, 1898, S. 174 ff.; A. S. zur Erinnerung, in: Die Bühne, 1937, S. 450 ff.; Dt. Bühnen-Jb. 49, 1938, S. 130 f.; Eisenberg, Bühnenlex. (auch für Wilhelmine S.); Enc. dello spettacolo; Kosch, Theaterlex.; Nagl–Zeidler–Castle 4, s. Reg.; C. Glossy, 40 Jahre Dt. Volkstheater, (1929), s. Reg.; C. Hagemann, Dt. Bühnenkünstler um die Jh. Wende, 1940, S. 26 f.; M. Zellinger, A. S. in Wien.phil. Diss. Wien, 1947; O. M. Fontana, Wr. Schauspieler . . ., 1948, S. 66 ff.; W. Renger, A. S. . ., phil. Diss. München, 1950; Glenzdorfs internationales Film-Lex.3, 1961; W. Fritz, Der österr. Spielfilm der Tonfilmzeit. . . . 1968, s. Reg.; H. Kindermann, Theatergeschichte Europas 8, 1968, s. Reg.; W. Binal, Dt.sprachiges Theater in Budapest . . . ( =Theatlergeschichte Österr. 10/1), 1972, s. Reg.; A. S. und A. Schnitzler. Dilly. Geschichte einer Liebe . . ., zusammengestellt von R. Wagner, (1975); M. v. Alth, Burgtheater 1776–1976, (1976), s. Reg.Bd., S. 299 (auch für Wilhelmine S.); R. Wagner, Frauen um A. Schnitzler, (1980), S. 97 ff.; dies., A. Schnitzler. Eine Biographie, (1981), s. Reg.; J. Ahlemann, A. S. Geschichten eines Lebens, (1987); H. Bahr, A. S., in: R. Lothar – J. Stern, 50 Jahre Hoftheater 3, o. J., S. 174 ff.
(A. Fleischmann)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 45, 1988), S. 413f.
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