Saurau, Franz Josef Gf. von (1760-1832), Staatsmann

Saurau Franz Josef Graf von, Staatsmann. * Wien, 19. 9. 1760; † Florenz (Italien), 9. 6. 1832. Aus steir. Uradel; trat nach Stud. am Theresianum 1780 als Konzeptspraktikant beim Wr. Kreisamt in den Staatsdienst, wurde 1784 zweiter Kreiskoär. für das Viertel unter dem Wienerwald, 1786 Gubernialrat in Prag, 1789 Stadthptm. von Wien. 1792 HR der böhm.-österr. Hofkanzlei. 1793 wurde S. Adlatus des Polizei-Staatsministers Pergen, 1794 leitete er die Aufdeckung und Unterdrükkung der österr. Jakobinerverschwörung. 1795 wurde er auf Empfehlung Thuguts mit dem Titel eines Regierungspräs. Landeschef von NÖ. Bei seinen Bemühungen während der napoleon. Kriege, das patriot. Bewußtsein zu stärken, ergriff er 1796 die Initiative zur Schaffung der Kaiserhymne und brachte 1797 überraschend eine Volksbewaffnung zustande, die allerdings infolge des Vorfriedens von Leoben nicht mehr zum Einsatz kam. Er erreichte 1797 auch die Wiedererrichtung des von Joseph II. aufgehobenen Theresianums, dessen Kurator er bis 1801 blieb. Ende 1797 übernahm S. als Finanzminister und Hofkammerpräs, die Leitung des Finanzwesens, konnte aber bei den Anforderungen des 2. Koalitionskrieges die Bankozettelinflation nicht aufhalten, weshalb er 1801 im Zusammenhang mit der Entlassung Thuguts zurücktrat und als Botschafter an den Zarenhof entsandt wurde. Da er Rußland für eine gem. Politik mit Österr. nicht gewinnen konnte, wurde er 1803 zurückberufen und mit der relativunwichtigen Funktion eines Landmarschalls von NÖ abgefunden. 1805 Hofkoär. für Innerösterr., mußte er die neue Südgrenze gegen die an Napoleon abgetretenen Gebiete festlegen. Im Krieg von 1809 war er Gen.Landeskoär. bei der Armee Erzh. Johanns (s. d.) und folgte diesem nach Italien und Ungarn, organisierte aber gleichzeitig, da er noch die Leitung des steir. Guberniums hatte, die Aufstellung des Landsturmes und die Evakuierung der ärar. Bestände in der Stmk. Nach demFriedensschluß fungierte S. als Statthalter von NÖ. Während der Befreiungskriege wirkte er 1814 als Hofkoär. für die wiedergewonnenen illyr. Gebiete, 1815 als Gouverneur der Lombardei. Daneben leitete er auch vorübergehend als Hofkoär. bei der gegen Murat entsandten Armee die Zivilverwaltung der von den österr. Truppen in Mittelitalien und Neapel besetzten Gebiete. 1816 wurde er zum Botschafter in Spanien ernannt, konnte aber diesen Posten nie antreten, da er in Mailand noch gebraucht wurde. 1817 übernahm er mit dem Titel eines Obersten Kanzlers und Ministers des Inneren die Leitung der Vereinigten Hofkanzlei und stand bis zu seiner Enthebung aus Altersgründen (1830) an der Spitze der inneren Verwaltung. 1830 wurde er zum Botschafter in der Toskana ernannt. S., mit großen Fähigkeiten und einem bedeutenden Organisationstalent ausgestattet, war einer der wichtigsten Mitarbeiter K. Franz I. (s. d.). Als Anhänger des Josephinismus, der sich gegen jede Erleichterung des Staatskirchensystems sträubte, stand er im Gegensatz zu Metternich (s. d.). Vielfach geehrt und ausgezeichnet, u. a. 1790 Kämmerer, 1794 Geh. Rat, 1797 ung. Indigenat, 1823 Inhaber des Ordens vom goldenen Vlies, 1830 Großkreuz mit Brillanten des St. Stephan-Ordens.

L.: Z. des Hist. Ver. für Stmk. 7, 1909, S. 24 ff.; V. Thiel, Die Beziehungen des Gf. S. zur Grazer Landesstelle im Jahre 1809, ebenda, 7, 1909, S. 194 ff.; K. Hafner, Zwei Josefiner, in: Bll. für Heimatkde. 14, 1936, S. 77 ff.; Mitt. des Österr. Staatsarchivs 6, 1953, S. 235; Maasburg, S. 124; Wurzbach; D. Muoni, Collezione d’autografi di famiglie sovrane, celebrità politicke . . ., 1859, S. 101 f.; Beitrr. zur Geschichte der niederösterr. Statthalterei, 1897, S. 349 ff.; J. A. υ. Helłert, K. Franz I. von Österr. und die Stiftung des Lombardo-Venetian. Kg.Reichs ( = Quellen und Forschungen zur Geschichte, Litteratur und Sprache Österr. und seiner Kronländer 7), 1901, s. Reg.; G. Garollo, Dizionario biografico universale 2, 1907; R. Lorenz, Volksbewaffnung und Staatsidee in Österr. (1792–97) ( = Dt. Kultur. Hist. R. 4), 1926; F. Maaß, Der Josephinismus 4–5 ( = Fontes rerum Austriacarum, Abt. 2, 74–75), 1957–61, s. Reg.; D. Silagi, Jakobiner in der Habsburger-Monarchie ( = Wr. hist. Stud. 6), (1962), s. Reg.; E. Wangermann, Von Joseph II. zu den Jakobinerprozessen, (1966), s. Reg.; R. J. Rath, The provisional Austrian Regime in Lombardo-Venetia 1814–15, 1969, s. Reg.; B. Hainzl, Die niederösterr. Landesverwaltung zur Zeit des Statthalters F. J. Gf. v. S. 1810–15, phil. Diss. Wien, 1975.
(A. Cornaro)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 45, 1988), S. 444f.
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