Scalvini Giovita, Schriftsteller und Kritiker. * Botticino (Lombardei), 16. 3. 1791; † Brescia (Lombardei), 1. 1. 1843. Aus adeliger Familie; schon in seiner Gymnasialzeit literar. tätig, wurde er 1809 in die Accad. degli Pantomofreni (Brescia) aufgenommen. Seine jurist. Stud. an den Univ. Bologna und Pavia (1812/13) gab S. bald zugunsten literar. Zirkel auf und machte früh auf seine literar, und krit. Begabung aufmerksam. Er knüpfte Beziehungen zu den zeitgenöss. Schriftstellern und Intellektuellen, wie Foscolo, Monti, Zajotti und Ugoni, an dessen italien. Literaturgeschichte er schon 1817 mitarbeitete, an. Auf Ugonis Empfehlung war er 1818–20 Red.Mitgl. der austrophilen, offiziellen literar. und wiss. Z. „La Biblioteca italiana“. Seine sieben Beitrr. für diese Z. zeigen S. als sensiblen und kenntnisreichen Literaturkritiker, der sich u. a. hinsichtlich der Rezeption der dt. Literatur (Goethe, Schiller) verdient machte. S.s kompromißlose Haltung in kulturpolit. Fragen im Umfeld der „Klassizismus-Romantizismus-Debatte“ führte 1820 zum Bruch mit dem Dir. der Z., Acerbi, und zur Annäherung an die ehemaligen Mitarbeiter der Z. „Il Conciliatore“ bzw. an Exponenten des toskan. Reformismus (wie Capponi). 1821 war S. in die sog. Verschwörung der mailänd. Liberalen (Confalonieri, Pellico, s. d.) verwickelt, was ihn 1822 ins Exil zwang (zuerst in London, ab 1824 in Paris, wo er Kontakte zu Cousin, Guizot, Fauriel und Berchet knüpfte und für die Turiner „Antologia straniera“ Übers. aus französ. Z. anfertigte, und ab 1833 in Belgien). 1838 kehrte er aufgrund einer Amnestie nach Brescia zurück, wo er sich neuerlich dem Kreis um Ugoni anschloß. S.s wichtigste poet. und krit. Werke stammen aus der Exilperiode, die früheren, z. B. die Satire „Aleppe“ (1817), gingen verloren oder sind nur mehr fragmentar. erhalten. Anläßlich des Todes von Santarosa im griech. Freiheitskampf verfaßte S. das Poem „L’Esule“ (später „Il Fuoruscito“), das die Exilwirklichkeit zum Thema hat; ab 1829 beschäftigte er sich mit der Übertragung von Goethes Faust I, die 1835 erschien und trotz freier und Prosafassung im 19. Jh. wahrscheinlich die wesentlichste italien. Übers. darstellte. S.s wichtigste krit. Arbeit war die Stud. „Dei Promessi Sposi di A. Manzoni“ (1831), vor allem wegen der Auseinandersetzung mit dem „historischen Roman“ im Vergleich zu Scott. S. unterstrich darin neben romantheoret. Aspekten bes. die soziale und ideolog. Konfiguration bei Manzoni (s. d.), dessen Reformkatholizismus ihm mit sozialen und liberalen Anliegen vereinbar schien, weshalb er ihm „zeitlose“ histor. Aktualität zubilligte.