Schiff, Walter (1866-1950), Staatsrechtler und StatistikerSchiff Walter, Staatsrechtler und Statistiker. * Wien, 3. 6. 1866; † Wien, 1. 6. 1950. Sohn eines Kaufmanns; stud. Jus an der Univ. Wien, 1889 Dr. jur. 1894 Konzeptspraktikant bei der Statist. Zentralkomm. (ab 1918 Bundesamt für Statistik), wurde er 1919 deren Vizepräs. 1923 wechselte er in das Statist. Amt der Stadt Wien. 1910 wurde S. ao. Prof., 1914 o. Prof. der polit. Ökonomie an der Univ. Wien. S., schon früh in der Volksbildung tätig, zählte 1905 zu den Gründern des Volksheims Wien-Ottakring, deren staatswiss. Fachgruppe er ab 1909 leitete. Während des Ersten Weltkriegs engagierte er sich für die Volksausspeisung und war 1931–34 geschäftsführender Leiter des Volksheims. Polit. links orientiert – so war S. Vorsitzender des Antikriegskomitées (1930–34), Mitgl. des Bundes der Freunde der Sowjetunion, des Dimitrovkomitées und ein Förderer der Roten Hilfe –, mußte er 1934 seine beruflichen und polit. Ämter niederlegen. Wegen der von ihm als zu lau angesehenen Haltung der Sozialdemokratie wandte sich S. immer mehr dem Kommunismus zu. 1938 emigrierte er nach England und engagierte sich in der Österr. Freiheitsbewegung. So wurde er nach dem Ausscheiden Georg Frankensteins 1940 Ehrenpräs. des Austrian Center und unterzeichnete 1941 die Deklaration der österr. Vereinigung in Großbritannien. Von der Stadt Wien offiziell aufgefordert, ließ er sich erst 1950 zur Rückkehr nach Wien bewegen.
W.: Les charges de la propriété foncière, in: Bulletin de l’Inst. international de statistique 5/2, 1892; Die Reform der österr. Arbeiter-Unfallversicherung und die Sozialstatistik, in: Allg. statist. Archiv 3, 1894; Österr. Agrarpolitik seit der Grundentlastung 1, 1898; Die Kinderarbeit in Oesterr., in: Archiv für Sozialwiss. und Sozialpolitik 37, 1913; Internationale Stud. über den Stand des Arbeiterschutzes bei Beginn des Weltkrieges, in: Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung 4, 1916; Der Arbeiterschutz im Dt. Reiche und in der österr.-ung. Monarchie, in: Die wirtschaftliche Annäherung zwischen dem Dt. Reiche und seinen Verbündeten 2, hrsg. von H. Herkner ( = Schriften des Ver. für Sozialpolitik 155), 1916; Die österr. Erhebung über Wirtschaftsrechnungen und Lebensverhältnisse in Wr. Arbeiterfamilien, in: Allg. Statist. Archiv 10, 1916/17; Die Beschränkung der Frauenarbeit, in: Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung 5, 1917; Die Beschränkung der Männerarbeit, ebenda, 5, 1917; Die Vorschriften über die den Arbeitern zu gewährenden Arbeitspausen, ebenda, 6, 1919; Die amtliche Statistik und die neuen Erfordernisse der Zeit, in: Statist. Monatsschrift, F. 3, 1, 1919; Der Arbeiterschutz der Welt ( = Archiv für Sozialwiss. und Sozialpolitik, Erg.H. 16), 1920; Konfession und Gebürtigkeit der Wr. Bevölkerung, in: Statist. Mitt. der Stadt Wien, 1925; Staatsangehörigkeit und sprachliche Zugehörigkeit der Wr. Bevölkerung, ebenda, 1925; Die natürliche Bewegung der Bevölkerung der Bundeshauptstadt Wien in den Jahren 1909–25 ( = Statist. Mitt. der Stadt Wien, Sonderh. 4), 1926; Die landwirtschaftliche Produktionspolitik in Österr. ( = Agrarsozialist. Bücherei 4), 1926; Die großen Agrarreformen seit dem Kriege ( = ebenda, 5), 1926; Die Berufsverhältnisse in Wien und deren Entwicklung ( = Mitt. aus Statistik und Verwaltung der Stadt Wien, Sonderh. 2), 1928; Die Planwirtschaft und ihre ökonom. Hauptprobleme, 1932; usw.
L.: Neues Wr. Tagbl. vom 30. 5. 1936 (Abendausg.); Wr. Ztg. und Österr. Volksstimme vom 2., Arbeiter-Ztg. vom 3. 6. 1950; W. Winkler, in: Statist. Vjs. 3, 1950, S. 97f.; Bourdet; Hdb. der Emigration 1; Kürschner, Gel.Kal. 1925–35; Denkschrift der k. k. Statist. Zentralkomm. zur Feier ihres 50jährigen Bestandes,1913, S. 73, 215, 218, 220; R Treichl, Österreicher der Gegenwart, 1951; 50 Jahre Volksheim. Eine FS zum 24. Februar 1951, (1951), S. 4, 8f.; 1905–1955. Ein halbes Jh. Volksheim, (1955), S. 24, 27; E. Glaser, Im Umfeld des Austromarxismus, 1981, s. Reg.; R. Lebmann – H. Helczmanovszki, Auf dem Gebiete der Bevölkerungsstatistik und Bevölkerungswiss. tätige Österreicher, 1986, S. 158ff. (mit Werkverzeichnis); Vertriebene Vernunft, hrsg. von F. Stadler, 1, 1987, s. Reg.; W. Bründl, Eigenart und Entwicklung der Wr. Volkshochschulen, o. J., S. 54f.; Ver. für Geschichte der Arbeiterbewegung, Dokumentationsarchiv des österr. Widerstandes, Sozialwiss. Dokumentation (Tagbl.Archiv), Kammer für Arbeiter und Angestellte, alle Wien.
(M. Dippelreiter)
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 10 (Lfg. 47, 1991), S. 122f.