Schiffner, Viktor Ferdinand (1862-1944), BotanikerSchiffner Viktor Ferdinand, Botaniker. * Böhm. Leipa (Česká Lipa, Böhmen), 10. 8. 1862; † Baden (NÖ), 1. 12. 1944. Sohn eines Gubernial- und Statthaltereirats; stud. ab 1880 Zool., ab 1881 Botanik an der Dt. Univ. Prag und wurde 1884 Ass. am Botan. Garten bei Heinrich M. Willkomms; 1887 Dr. phil., 1888 Priv.Doz. für Systemat. Botanik, 1896 ao. Prof., 1902 ao. Prof. für Systemat. Botanik an der Univ. Wien, 1904 Tit. o. Prof., 1932 emer. S. unternahm mehrere Reisen, so 1889 nach Italien zum Stud. der mediterranen Flora, besuchte 1890 botan. Inst. und Gärten im norddt. Raum und konnte die dabei gewonnenen Erfahrungen 1898/99 bei der Neuorganisation des Botan. Gartens in Prag als maßgeblicher Mitarbeiter Richard Wettsteins auswerten. 1893/94 weilte er auf Sumatra und Java, wo er vorübergehend auch als Ass. am Botan. Garten von Buitenzorg (heute Bogor, Java) umfangreiche Aufsmlgg., bes. von Moosen, durchführte, denen er sich auch als Begleiter Wettsteins im Rahmen der von der Akad. der Wiss. in Wien 1901 ausgesandten Expedition nach Südbrasilien speziell widmete. 1905 bereiste er mit ähnlichen Zielen Korsika. S. machte sich bes. um die Systematik der Lebermoose verdient, beschäftigte sich daneben aber auch mit Pilzen, Meeresalgen und der Systematik der Blütenpflanzen. Sowohl in Prag wie auch in Wien speziell mit der Ausbildung der Pharmazeuten betraut, verfaßte er für diesen Stud.Zweig ein vielbeachtetes Lehrbuch. Schon in seinen jungen Jahren ein Sonderling, widmete er sich später immer stärker naturphilosoph. Fragen. Während des Ersten Weltkriegs unermüdlich um die Sicherstellung der Ernährung bemüht, wies er auf den Wert der Pilze als kostenloses Volksnahrungsmittel hin, hielt Vorträge und richtete Beratungsstellen ein. 1918 zog er H. Lohwag (s. d.) zur Unterstützung heran und gründete mit diesem gem. die Ges. der Pilzfreunde, die heutige Mykolog. Ges. Er fand früh Anerkennung und wurde u. a. schon 1891 Mitgl. der Leopoldina in Halle, korr. Mitgl. der Ges. zur Förderung dt. Wiss., Kunst und Literatur in Böhmen, 1932 Ehrenmitgl. der Zoolog.-Botan. Ges. in Wien. S., Autor von nahezu 200 Publ., ist eine der schönsten botan. Tropensmlgg., die je nach Europa gebracht wurden, zu danken.
W.: Lebermoose (Hepaticae) ( = Forschungsreise SMS „Gazelle“ 4), 1890, auch selbständig; Conspectus Hepaticarum Archipelagi Indici, 1898; Expositio plantarum in itinere suo indico annis 1893/94 suscepto collectarum . . ., 2 Ser., in: Denkschriften Wien, math.-nat. Kl. 67, 1899, 70, 1901; Die Hepaticae der Flora von Buitenzorg 1 ( = Flore de Buitenzorg 4/1), 1900; Bryolog. Fragmente, 78 Tle., in: Österr. botan. Z. 54–63, 1904–13; Lehrbuch für Aspiranten der Pharmazie 3 (Botanik), 1909, 2. Aufl. 1919; Der Neo-Darwinismus . . ., 1926; Die Existenzgründe der Zellbildung und Zellteilung, der Vererbung und Sexualität, 1926; Das Wesen des Alls und seiner Gesetze, 1932; Hepaticae (Lebermoose), vollendet von S. Arnell, hrsg. von K. Fitz ( = Ergebnisse der botan. Expedition der k. Akad. der Wiss. nach Südbrasilien 1901, 2/6), in: Denkschriften Wien, math.-nat. Kl. 111, 1964; usw. Hrsg.: Hepaticae europeae exsiccatae, 27 Ser., 1350 n., 1900 ff., dazu gedruckte Beschreibungen, nur in botan. Smlg. verwahrt; Ergebnisse der botan. Expedition der k. Akad. der Wiss. nach Südbrasilien 1–2, gem. mit R. Wettstein ( = Denkschriften Wien, math.-nat. Kl. 79/1, 83), 1908–27, auch selbständig; usw. – Nachlaß: Lebermoose aus Brasilien, Naturhist. Mus., Wien; privates Moosherbar, Farlow Herbarium of Cryptogamic Botany, Harvard Univ., Cambridge, Mass. (USA).
L.: O. Zekert, in: Scientia Pharmaceutica 13, 1942, S. 19; K. Lohwag, in: Sydowia. Annnales Mycologici, Ser. 2, 22, 1968, S. 319; Kürschner, Gel.Kal., 1926– 40/41; I. Urban, Vitae itineraque collectorum botanicorum, notae collaboratorum biographicae . . . ( = C. F. Ph. v. Martius, Flora Brasiliensis 1/1), 1906, Sp. 101f.; C. G. G. J. van Steenis, Flora Malesiana 1/1, 1950, S. 467f.; V. Grummann, Biograph.-bibliograph. Hdb. der Lichenol., 1974, S. 439f.; K. Körrer, Die zwischen 1938 und 1945 verstorbenen Mitgl. des Lehrkörpers an der Univ. Wien, phil. Diss. Wien, 1981, S. 217; G. Wagenitz, Index collectorum principalium herbarii Gottingensis, 1982, S. 146; F. A. Stafleu – R. S. Cowan, Taxonomic Literature 5 ( = Regnum vegetabile 112), 2. Aufl. 1985 (mit Werksverzeichnis); U A Wien.
(Ch. Riedl-Dorn)
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 10 (Lfg. 47, 1991), S. 127f.