Schildkraut, Rudolf (1862-1930), Schauspieler

Schildkraut Rudolf, Schauspieler. Geb. Konstantinopel (Istanbul, Türkei), 27. 4. 1862; gest. Los Angeles-Hollywood, Cal. (USA), 15. 7. 1930. Als Sohn einer jüd. Familie verbrachte S., dessen Vater, ein Hotelier, früh starb, seine Kindheit in Brăila (Rumänien). Da er als Österreicher leben wollte, lernte er Dt. und besuchte das Gymn. in Hermannstadt (Sibiu), verließ es jedoch frühzeitig und schloß sich einer wandernden Schauspielertruppe an. Seine Lehrjahre als Schauspieler absolv. er als Darsteller von Liebhabern, jugendlichen Charakterrollen und Bonvivants an verschiedenen Provinzbühnen der Österr.-ung. Monarchie, bis er 1893 nach Wien an das neugegründete Raimundtheater, 1898 ans Carltheater engagiert wurde. Hauptsächlich Lustspiel- und Operettenrollen, wie der Frosch in Strauß’ „Fledermaus“, Zsúpan im „Zigeunerbaron“ oder Gen. Kantschukoff in Suppés „Fatinitza“, zählten zu seinem Repertoire; schon damals rühmten die Kritiker seine Masken, seinen Humor, sein temperamentvolles Spiel und seine sprachlichen Nuancen. 1900 folgte S., der eine zeitlang bei Mitterwurzer (s. d.) Unterricht genommen hatte, dem Ruf A. v. Bergers (s. d.) an das neueröffnete Dt. Schauspielhaus in Hamburg. Bes. sein Shylock in Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“ war hier so erfolgreich, daß ihn Reinhardt (s. d.) 1905 nach Berlin an das Dt. Theater holte. Diese Rolle zählte – ebenso wie der Kg. Lear – auch hier zu S.s Glanzrollen, aber auch Charaktere des modernen Repertoires, wie der Prof. Niemeyer in Holz’-Jerschkes „Traumulus“ oder der jüd. Vater in Aschs „Der Gott der Rache“. Auch das Pantomim. und Groteske lagen S., wie z. B. bei der Gestaltung des Caliban in Shakespeares „Der Sturm“. Nach ersten Gastspielen in New York 1911–13 (vornehmlich an jidd. Theatern) wanderte S. gem. mit seinem Sohn Joseph (1896–1964), der gleichfalls Schauspieler war, in die USA aus, wo er seine Rollen in Jidd., ab 1922 auch in Engl. darstellte, zuletzt auf seiner eigenen Kammerbühne in der Bronx (New York). Hatte sich S. schon in Europa (auch in Wien) bereits in Filmrollen bewährt (etwa 1916 neben seinem Sohn in „Der Glücksschneider“, nach einem Buch von Salten, s. d., im gleichen Jahr in „Der Narr des Schicksals“ und 1920 – der Film erschien 1921 – in „Theodor Herzl, der Bannerträger des jüdischen Volkes“, in dem er das ringende, Joseph das leidende Israel darstellte), wurde er mit seiner Filmarbeit in den USA international bekannt. Hervorzuheben sind der Rabbi Cominsky in „His People“ (1925), der Pfandleiher in „The Country Doctor“ (1927), Kaiphas in „The King of Kings“ (1927), dem Christusfilm von Cecil B. De Mille, in dem sein Sohn den Judas darstellte, und seine letzte Rolle in dem frühen Tonfilm „Christina“ (1929).

L.: N. Fr. Pr. vom 16. 7. 1930; P. Raché, in: Bühne und Welt 5, 1902/03, S. 867ff. (mit Bildern); Dt. Bühnen-Jb. 42, 1931, S. 118; Eisenberg, Bühnenlex.; Enc. dello spettacolo; Kosch, Theaterlex.; Wininger; Universal Jew. Enc.; Das Dt. Theater in Berlin, hrsg. von P. Legband, 1909, bes. S. 44ff.; J. Schildkraut, My Father and I, 1959 (mit Bildern); Kleines Lex. des österr. Films, hrsg. von L. Gesek und O. Wladika ( = Filmkunst 22/30), 1959; Filmlex, degli Autori e delle Opere 6, 1964; W. Fritz, Die österr. Spielfilme der Stummfilmzeil . . ., 1967, s. Reg.; H. Kindermann, Theatergeschichte Europas 8, (1968), s. Reg.; W. Fritz, Geschichte des österr. Films, 1969, S. 75; The American Film Inst. Cat. of motion pictures, hrsg. Von K. W. Munden, 2, 1971, s. Reg.
(W. Fritz)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 10 (Lfg. 47, 1991), S. 132f.
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