Schiller-Szinessy, Solomon Marcus (1820-1890), Rabbiner

Schiller-Szinessy Solomon Marcus, Rabbiner. Geb. Altofen (Budapest-Óbuda), 23. 12. 1820; gest. Cambridge (Großbritannien), 11. 3. 1890. Sohn eines Rabb. und Kaufmanns. Neben einer intensiven mos. Erziehung ab dem 6. Lebensjahr besuchte S. die (jüd.) dt.-ung. Normalschule Altofens und nach dem Gymn. das lutheran. Collegium in Eperies (Prešov, Slowakei), wobei ihn der Erzbischof von Erlau (Eger), Pyrker von Felső-Eőr (s. d.) finanziell unterstützte. S. prom. 1845 zum Dr. phil. in absentia an der Univ. Jena. Danach kehrte S. als Rabb. für die neugegründete Gemeinde und als ao. Lehrer nach Eperies zurück, wo seine gewandte Rhetorik bald Aufsehen erregte, die von ihm neu eingeführte Konfirmationsform (Barmizwa) für Mädchen jedoch von konservativer Seite beanstandet wurde. Im Zuge der Revolution in Ungarn schloß er sich begeistert L. Kossuth (s. d.) an und erweiterte seinen Namen um die magyarisierte Form Szinessy. 1849 aktiv in die Kämpfe der ung. Revolutionsarmee verwickelt, wurde er beim Versuch, eine Brücke über die Theiß zu sprengen, verwundet und gefangengenommen, konnte jedoch aus der Haft in Temesvar (Timişoara) entfliehen und gelangte über Triest und Dublin nach England. Er arbeitete in Manchester zunächst als Sprachlehrer und fand als Gastprediger in diversen Synagogen großen Beifall. 1851 wurde er auf Bestreben des reformfreudigen Flügels der Gemeinde Rabb. von Manchester. Aufgrund von Intrigen trat er jedoch 1860 zurück und wirkte wieder als Privatlehrer. 1863 heiratete er eine Unitarierin, die zum Judentum übertrat, und übersiedelte nach Cambridge. Ab 1865 arbeitete S. an der dortigen Univ.Bibl. an der Katalogisierung der hebr. Manuskripte. 1866 ernannte ihn die Univ. als ersten mos. Glaubensangehörigen zum Lehrer der talmud, und rabbin. Literatur. Als er 1876 zum „Reader“ (o. Prof. 2. Kl.) avancierte, wurde ihm der Titel Mag. in Artibus propter merita verliehen. S.s Hauptarbeitsgebiete waren die Psalmenforschung und die Interpretation von Isaiah-Texten, wobei er sich hier in der Auseinandersetzung mit dem christlichen Standpunkt durch unpolem. Sachlichkeit auszeichnete. Für die „Encyclopedia Britannica“ erstellte er die sein Fachgebiet betreffenden Artikel. Sein bes. Talent lag jedoch in der Lehrtätigkeit, sodaß auch zahlreiche Christen seine Vorlesungen frequentierten. S. hatte als liberalisierender Faktor bedeutsamen Einfluß auf das theolog. Denken in England.

W.: Cat. of the Hebrew manuscripts preservad in the Univ. library Cambridge 1, 1876; David Quimhi’s commentary to Psalms 1–41, 1883; Massa’ ba-’arab, 1886; usw.
L.: R. Loewe, in: Transactions of the Jewish Historical Society of England 21, 1968, S. 148 ff.; Enc. Jud.; Magyar Zsidó Lex.; Jew. Enc.; Wininger; Wurzbach; B. Wachstein, Die hebr. Publizistik in Wien 1 ( = Quellen und Forschungen zurGeschichte der Juden in Dt.Österr. 9), 1930, S. 199; V. D. Lipman, Social History of the Jews in England 1850–1950, 1954, S. 25, 83; UA Jena, Deutschland.
(R. Loewe)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 10 (Lfg. 47, 1991), S. 136f.
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