Schindler, Friedrich Wilhelm (1856-1920), Industrieller und Erfinder

Schindler Friedrich Wilhelm, Industrieller und Erfinder. * Mollis, Kt. Glarus (Schweiz), 1. 6. 1856; † Kennelbach (Vorarlberg), 19. 11. 1920. Sohn des Textilfabrikanten und Malers Samuel Wilhelm S. (s. unter dem Vorigen), Enkel des Vorigen, Urenkel des Unternehmers Samuel S., Bruder des Textilindustriellen Cosmus S., Vater der Bildhauerin Anna Margaretha S. (alle s. d.), evang. HB. Besuchte Schulen in St. Gallen und Lausanne (beide Schweiz), absolv. eine kaufmänn. Ausbildung in Livorno (Italien) und weilte dann zu Stud. in Frankreich sowie in England. Nach seiner Rückkehr im Familienbetrieb tätig, wurde er 1888 Teilhaber der Fa. Spinnerei S. & Jenny, Kennelbach, mußte sich aber 1909 wegen eines Nervenleidens zurückziehen. Mehr als dem Textilwesen widmete sich S. der Elektrotechnik, deren Bedeutung er schon 1881 beim Besuch der ersten elektrotechn. Weltausst. in Paris erkannt hatte. Er erwarb eine der dort gezeigten Edisonschen Stromerzeugungsmaschinen, ließ in Kennelbach die ersten Glühlampen Österr. leuchten, und 1884 erhielt die Spinnerei als erster österr. Betrieb volle elektr. Beleuchtung. 1891 konnte er eine größere Stromerzeugungsanlage in Betrieb nehmen und ab 1901 Uberschußenergie gewinnbringend absetzen, vorerst für die erste Straßenbeleuchtung in Kennelbach. Zur Versorgung der Stadt Bregenz errichtete er eine Anlage in Rieden und erhielt für die Fa. Jenny & S. im selben Jahr eine Konzession für elektr. Installationsarbeiten. Zur Finanzierung größerer Projekte gründete er 1907 die Elektrowerke Jenny & S. als offene Handelsges., erwarb 1904 ein ausgearbeitetes Projekt zur Nutzung der Wasserkraft der Bregenzer Ache bei Andelsbuch und eröff. 1908 dort das damals größte Kraftwerk der Österr.-ung. Monarchie, dessen Bauleitung der spätere erste poln. Staatspräs. Gabriel Narutowicz besorgte. 1916 wandelte er den weiter ausgebauten Komplex in die Vorarlberger Kraftwerke Ges. m. b. H. um, deren Aktienmehrheit 1929 an das Land Vorarlberg überging. Durch die Beobachtung, daß schlechtleuchtende Lampen mehr Wärme als andere erzeugten, und durch die von den mit Spiritusflamme betriebenen sog. Bronchitiskesseln ausgehende Brandgefahr wurde er angeregt, die elektr. Energie als gefahrlose Wärmequelle zu nutzen. Mit dem Schlosser Matthäus Zingerle, der seine Pläne in die Praxis umsetzte, gelang es ihm, elektr. Energie mittels eines schraubenförmig auf einem Asbestfaden aufgewickelten Platindrahtes in Wärme umzusetzen und damit 1888 sein erstes elektr. Bügeleisen zu beheizen. Durch zusätzliche Einbettung in Ton entwickelte er 1891 den sog. Chamotteheizkörper, die Voraussetzung für eine Reihe elektr. Geräte, wie ringförmige Tauchsieder, Wasserkocher mit Bodenheizung, Herde, Teekessel, Kaffeemaschinen, Sterilisationsapparate, Heizkörper, Laborwärmeschränke usw. 1893 erkannte er mit Paul Stotz aus Stuttgart die Notwendigkeit einer Regelung der Heizleistung und konstruierte daher eine Parallel- und Einzelschaltung zweier Stromkreise. Im selben Jahr zeigte er bei der Columbusweltausst. in Chicago (USA) die erste vollelektr. Küche der Welt, die später auch auf Ausst. in Europa zu sehen war. Sein eigenes Haus in Kennelbach war das erste Europas, das als Energiequelle ausschließlich elektr. Strom verwendete. Zur kommerziellen Nutzung seiner Erfindungen verkaufte er seine Haushaltsgeräte bald nach seiner Rückkehr aus Amerika unter dem Namen Schindler-Jenny, errichtete jedoch 1898 eine eigene Fabrik in Wädenswil (Schweiz) unter dem Firmennamen Elektra, der 1901 weitere in Bregenz und Lindau (Bayern) folgten, und stellte schon 1901 ca. 1850 Artikel her, von denen er die Bügeleisen, die bis in die 60er Jahre die am weitest verbreiteten bleiben sollten, in alle Welt exportierte. 1907 plante S. eine elektr. Zahnradbahn auf den Pfänder bei Bregenz, die jedoch nicht zur Ausführung gelangte. 1909 übergab er die Fa. seinem Sohn Friedrich Peter ( * 4. 5. 1895; † 25. 8. 1969), der sie 1965 veräußerte. 1896–1915 Mitgl. des Presbyteriums der Evang. Gemeinde Bregenz; durch den Einbau einer Fußbodenheizung 1904 machte er deren Kirche zur ersten elektr. beheizten der Monarchie. Er erhielt zahlreiche Patente und Medaillen, u. a. 1893 in Chicago, 1895 in Leipzig, 1896 in Stuttgart und Genf, 1897 in Riva sowie 1903 in London. S. legte die Grundlagen für den heutigen hohen Stand der Energiewirtschaft in Vorarlberg und trug durch die fabriksmäßige Herstellung der von ihm entwickelten elektrotherm. Geräte zur Verbreitung der prakt. Anwendung elektr. Heizeinrichtungen, daneben aber auch zur Erleichterung zahlreicher Haushaltsarbeiten bei.

W.: Elektr. betriebener Backofen, System S., in: Schweizer elektrotechn. Z., 1914; Patentschriften; usw.
L.: Neue Zürcher Ztg. vom 29. 4. 1954 (Fernausg.); Vorarlberger Nachrichten vom 22. 10. 1985 (mit Bild); Die Presse vom 14. 4. 1987; Elektrotechnik und Maschinenbau 39, 1921, S. 135f.; K. Plitzner, in: Ind.Archäol., 1988, S. 11ff.; Großind. Österr., Erg.Bd. 2, S. 297ff.; Hdb. der Elektrotechnik, hrsg. von C. Heinke, 11/2, 1908, S. 77ff.; R. Gf. v. Sarnthein, Denkwürdigkeiten aus 100 Jahren der Spinnerei Kennelbach, 1938, S. 51ff. (mit Bild); K. Paulin, 125 Jahre Jenny & S. 1825–1950, (1950), S. 21f. (mit Bild); VKW 1901–51. Vorarlberger Kraftwerke AG. Zum 50. Jahre ihres Bestehens, 1951; 100 Jahre Handelskammer und gewerbliche Wirtschaft in Vorarlberg, 1952, S. 207, 249f.; J. Kaufmann, Wasserkraft und Stromerzeugung im Einzugsgebiet der Bregenzer Ache, 1987, S. 73f.; E. Sinz, Kennelbach, (1987), S. 183ff. (mit Bild); Evang. in Vorarlberg, hrsg. von W. Olschbaur und K. Schwarz, 1987, S. 48 (mit Bild).
(K. Plitzner)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 10 (Lfg. 47, 1991), S. 151f.
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