Schipper, Jakob (1842-1915), Anglist

Schipper Jakob, Anglist. * Friedrich-August-Groden, Kirchspiel Middoge, Niedersachsen (Deutschland), 19. 7. 1842; † Wien, 20. 1. 1915. Sohn eines Landwirts, evang.AB; besuchte 1855–63 das Gymn. in Jever, wo sein Interesse an den neueren Sprachen erwachte. S. stud. jedoch zunächst kurze Zeit Med., hierauf evang. Theol. an den Univ. Heidelberg (1863–65) und Berlin (1865). Bis 1867 Stud. der neueren Philol. an der Univ. Bonn (bei Nikolaus Delius, Friedrich Diez und Karl Simrock), 1867 Dr. phil. und Lehramtsprüfung aus Dt., Engl., Französ. und Latein. Nach Aufenthalten in Paris und Italien arbeitete S. 1869–71, von Frederick J. Furnivall empfohlen, in Oxford mit Joseph Bosworth an der Neubearb. von dessen angelsächs. Wörterbuch. 1871 ao., 1872 o. Prof. für neuere Sprachen an der Univ. Königsberg, wurde er 1876 (mit Rechtswirksamkeit von 1877) nach Wien als o. Prof. für engl. Philol. an die neu geschaffene Lehrkanzel dieses Fachs berufen; 1886/87 Dekan, 1901/02 Rektor, 1913 emer. S. machte sich durch für den Aufbau der neuen Wiss. notwendig gewordene krit.Textausg. alt- und mittelengl. sowie schott. Werke höchst verdient. Selbst poet. begabt und als Übers. tätig, galt sein Interesse vor allem dem dichter. Schrifttum und seiner Form, wobei die Werke über William Dunbar (1884) und James Shirley, bes. auch seine engl. Metrik hervorzuheben sind. Seine Vorlesungen umfaßten das Gesamtgebiet der engl. Philol., er war u. a. Lehrer von Alois Brandl, Brotanek, Kellner, Luick (alle s.d.) und Arnold Schröer. S. betonte stets – etwa in seiner programmat. Rektoratsrede „Alte Bildung und moderne Kultur“ – die Bedeutung der modernen Fremdsprachen im Schulunterricht; 1894 gründete er den Wr. Neuphilolog. Ver., der der Verbindung zwischen Univ. und Schule dienen sollte, und war ab 1898 Vorsitzender der Prüfungskomm. für das Lehramt an Mittelschulen. Er war auch bemüht, durch Vorträge bzw. Publ. in Z. und Ztg. sein Fach, durch das er die engl. Kultur in ihrer Gesamtheit vermitteln wollte, zu popularisieren. S.s Verdienste wurden vielfach gewürdigt: u. a. 1886 korr., 1887 w. Mitgl. der Akad. der Wiss. in Wien, Ehrendoktor der Univ. Oxford, Cambridge, Edinburgh, Aberdeen und St. Andrews.

W.: De versu Marliovii, 1867 (Diss.); Engl. Metrik, 2 Tle., 1881; Zur Kritik der Shakspere-Bacon-Frage, 1889; Grundriss der engl. Metrik ( = Wr. Beitrr. zur engl. Philol. 2), 1895, engl. 1910; Der Bacon-Bacillus. Zur Beleuchtung des Shakspere-Bacon-Unsinns . . ., 1896; Beitrr. und Stud. zur Engl. Kultur- und Literaturgeschichte, 1908; James Shirley. Sein Leben und seine Werke. Nebst einer Übers. seines Dramas „The Royal Master“ ( = Wr. Beitrr. zur engl. Philol. 36), 1911; N. Fr. Pr. vom 19. und 20. 6. 1912 (Autobiographie); usw. Hrsg.: Engl. Alexiuslegenden aus dem XIV. und XV. Jh. ( = Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgeschichte der german. Völker 20), 1877; Wr. Beitrr. zur dt. und engl. Philol., gem. mit R. Heinzel und J. Minor, 1–3, 1886–88; Die zweite Version der mittelengl. Alexiuslegenden, in: Sbb. Wien, phil.-hist. Kl. 114, 1887; The Poems of William Dunbar, in: Denkschriften Wien, phil.-hist. Kl. 40–43, 1892–94; Wr. Beitrr. zur engl. Philol. 1–44, 1895–1915; Kg. Alfreds Übers. von Bedas Kirchengeschichte, 2 Tle. ( = Bibl. der angelsächs. Prosa . . . 4), 1897–99; J. Zupitza, Alt- und mittelengl. Übungsbuch zum Gebrauche bei Univ.-Vorlesungen . . . mit einem Wörterbuche, 5.– 11. Aufl. 1897–1915; The Poems of Walter Kennedy, in: Denkschriften Wien, phil.-hist. Kl. 48, 1902.
L.: N. Fr. Pr. vom 18. 6. 1912 und 21. 1. 1915; Wr.Ztg. vom 21. und 22. (beide Abendausg.), 23. 1. und 2. 2. 1915; Österr. Mittelschule 29, 1915, S. 109ff.; Almanach Wien 65, 1915, S. 430ff. (mit Bild); L. Kellner, in: Beibl. zur Anglia 26, 1915, S. 193ff.; J. Koch, ebenda, 26, 1915, S. 380ff.; Inauguration Univ. Wien 1915/16, 1915, S. 33ff.; L. Fränkel, in: Niedersachsen 20, 1915, S. 313ff.; R. Brotanek, in: Engl. Stud. 49, 1915/16, S. 99ff M. Friedwagner, in: Die Neueren Sprachen 23, 1916, S. 65ff.; Die Fackel, s. Reg.; Universal Jewish Enc.; Wininger; G. Mecenseffy, Evang. Lehrer an der Univ. Wien, 1967, s. Reg. (mit Bild); G. Haenicke, Biograph, und bibliograph. Lex. zur Geschichte der Anglistik 1850–1925 ( = Augsburger I- & I-Schriflen 13), 1981; Th. Finkenstaedt, Kleine Geschichte der Anglistik in Deutschland, 1983, s. Reg.; L. Wackerlig, Prof. J. S. (1842–1915), 1980, Hausarbeit, Inst. für Geschichte, Univ. Wien; UA Wien; Mitt. Evang.-luther. Kirchengemeinden Tettens und Middoge, Wangerland (Deutschland).
(H. Koziol)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 10 (Lfg. 47, 1991), S. 160f.
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