Schlager Ludwig, Psychiater. * St. Florian (OÖ), 19. 8. 1828; † Badgastein (Salzburg), 24. 7. 1885. Sohn eines Stiftsverwalters und Bürgermeisters von St. Florian; stud. nach Absolv. der philosoph. Jgg. in Linz ab 1846 Med. an der Medizin.-chirurg. Josephs-Akad. in Wien, wirkte 1848/49 im Rahmen der Italienarmee unter Radetzky (s. d.) als feldärztlicher Gehilfe an Feldspitälern in Oberitalien, nahm auch an der Belagerung Venedigs teil und setzte dann sein Stud. fort; 1852 Dr. med., 1853 Dr. chir. Arbeitete 1852 vorerst an der Irrenanstalt am Brünnlfeld in Wien IX., dann als Sekundarius am sog. Lazarett, ab 1853 wieder an der Irrenanstalt, schied aber 1860 aus dem Dienst und wirkte in der Folge als psychiatr. Sachverständiger beim Landesgericht Wien, ab 1870 als Leiter der Beobachtungsabt, für zweifelhaft Geistesgestörte im Allg. Krankenhaus und leitete 1873–85 die in die Verwaltung des Landes NÖ übernommene Irrenanstalt. 1858 habil. er sich für Psychiatrie und gerichtliche Psychol. und wurde 1865 zum ao., 1878 zum o. Prof. für Psychiatrie ernannt. Als Schüler J. G. Riedels (s. d.) war S., der in den 50er Jahren zahlreiche Reisen zum Besuch ausländ. Irrenanstalten unternommen hatte, um eine psycholog.-humane Betreuung und eine Verbesserung der Lebensqualität der Geisteskranken bemüht. Er förderte die Arbeitstherapie wie Schnitzen, Zeichnen oder Malen und veranstaltete Ausst. von Patientenarbeiten sowie Ges.Abende, befürwortete Kolonien und beantragte 1884 die Errichtung einer solchen in Mauer (NÖ). Dies alles brachte ihn in Gegensatz zu der naturwiss.-hirnanatom. orientierten Forschungsrichtung Th. Meynerts (s. d.). S. sammelte alle in Österr. bestehenden Verordnungen gerichtspsychiatr. Inhalts und trat für eine zeitgemäße Irrengesetzgebung ein. Ab 1866 Mitgl. des Gemeinderates (liberale Partei) von Wien, legte er 1879 sein Mandat nieder, weil er mit seinen Vorschlägen für eine Reform des Sanitätswesens nicht durchgedrungen war. Durch striktes Festhalten an einmal als richtig erkannten Prinzipien schuf er sich manche Gegner, war jedoch mit Moriz Gauster und Mundy (s. d.) befreundet. Er schrieb das Libretto zu der von H. Schläger (s. d.) vertonten Oper „Heinrich und Ilse“, die 1868 in Salzburg uraufgef. wurde. Seine Verdienste fanden Anerkennung, so wurde er 1857 Mitgl. des Wr. medicin. Doctoren-Collegiums, 1878 Reg.Rat und 1879 Obersanitätsrat. S. förderte die individuelle Be Handlung der Geisteskranken und vertrat entschieden den Gedanken des „No restraint“.