Schlegel (von Gottleben), Dorothea (Brendel); geb. Mendelssohn, gesch. Veit (1764-1839), Schriftstellerin und Übersetzerin

Schlegel (von Gottleben) Dorothea (Brendel), geb. Mendelssohn, geschiedene Veit, Schriftstellerin und Übersetzerin. * Berlin, 24. 10. 1764; † Frankfurt a. M. (Deutschland), 3. 8. 1839. Tochter des Philosophen Moses Mendelssohn, ab 1804 Gattin des Folgenden. Mos. Religion, wurde sie 1804 evang. getauft, 1808 trat sie, gem. mit ihrem Mann, zum Katholizismus über. Sie erhielt von ihrem Vater eine ausgezeichnete Erziehung, wurde allerdings von ihm auch ohne ihr Einverständnis 1783 mit Simon Veit, einem charaktervollen, jedoch geistig unter ihrem Niveau stehenden Berliner Kaufmann verheiratet, aus welcher Ehe die beiden Maler Philipp und Johannes Veit stammen. Während ihrer Ehe mit Veit war sie Mitgl. des sog. Tugendbundes in Berlin, eines sentimentalen Ver., dem die Brüder Humboldt, Henriette Herz u. a. angehörten, und dessen Funktion darin erblickt werden kann, gegen bürgerliche Sitte und institutionalisierte Moral eine individuelle Sittlichkeit zu vertreten. S., eine Frau mit hoher Bildung und Intelligenz, bes. an Literatur und Musik interessiert, verkehrte auch in den literar. und philosoph. Salons von Berlin, die von H. Herz, deren Mann und Rahel Levin geführt wurden. Hier begegnete sie im Sommer 1797 Friedrich S., mit dem sie von nun an verbunden blieb, jedoch erst 1804 getraut wurde – eine Beziehung, die dessen Roman „Lucinde“ widerspiegelt. Ende 1798 trennte sich Dorothea von ihrer Familie, anfangs 1799 wurde die Scheidung ausgesprochen, im Herbst desselben Jahres begab sie sich mit Friedrich nach Jena, wo sie ihren unter dem Einfluß von Goethes „Wilhelm Meister“ stehenden Roman „Florentin“ (1801 publ.) verfaßte. Sie nahm an der Weiterführung der Z. „Athenäum“ sowie an allen schriftsteller. Arbeiten Friedrichs von nun an aktiven Anteil und wurde für die Ausbildung der Gedankenwelt der Romantik von großer Bedeutung. Über Dresden kam sie im Sommer 1802 nach Paris, wo sie – ab 1803 aus finanziellen Gründen sogar eine Art Pension führend – u. a. gem. mit Helmina v. Chézy altfranzös. Hss., die Friedrich unter seinem Namen hrsg., bearb. Ebenso stammt die bis heutemaßgebliche Übers. von Madame de Staëls Roman „Corinne“, die er 1807 unter seinem Namen veröff., von Dorothea. Am besten geben ihre Briefe über ihre intensive Anteilnahme am geistigen Geschehen der Zeit Ausdruck. Ab 1804 lebte sie mit Friedrich, der jedoch häufig auf Reisen war, in Köln, 1808 folgte sie ihm nach Wien, wo sie bald Kontakt zu gesellschaftlichen und religiösen Kreisen, insbes. um den Redemptoristenpater K. M. Hofbauer (s. d.), der starken Einfluß auf sie ausübte, fand. Obwohl das Ehepaar S. auch in Wien zumeist in sehr eingeschränkten Verhältnissen lebte, wurden die Abendges. bei ihm bald zum gesuchten Treffpunkt, sowohl der Wr. Freunde (zu denen u. a. auch K. Pichler, s. d., gehörte), aber auch durchreisender oder nur kurze Zeit in Wien lebender, wie Eichendorff, auf dessen Roman „Ahnung und Gegenwart“ Dorothea Einfluß nahm, oder ihrer Söhne, die 1810 in Wien getauft wurden. 1816–18 war Dorothea mit ihrem Mann in Frankfurt, im April 1818 reiste sie zu ihren Söhnen nach Rom, von wo sie erst 1820 nach Wien zurückkehrte. Nach dem Tod ihres Mannes mit der Ordnung seines Nachlasses beschäftigt, erhielt sie durch Vermittlung Metternichs (s. d.) vom österr. Kaiser eine Rente. Ab 1830 lebte sie in Frankfurt bei ihrem Sohn Philipp, der dort Dir. des Städelschen Mus. war, und widmete sich neben ihrer ausgedehnten Korrespondenz der Erziehung seiner Kinder.

W.: D. v. S., geb. Mendelssohn und deren Söhne J. und Ph. Veit. Briefwechsel, hrsg. von J. M. Raich, 1881 (mit biograph. Vorwort); Krit. Friedrich-Schlegel-Ausg., hrsg. von E. Behler u. a., 23–33, 1980ff. (noch nicht abgeschlossen); Beitrr, in den Z. der Brüder S. sowie in den Friedensbll. (Romanfragment Primaleon); usw.
L.: H. Eichner, in: Jb. des Freien Dt. Hochstifts 1965, (1965), S. 314ff. (mit Text von Camilla); F. Deibel, D. S. als Schriftstellerin in Zusammenhang mit der romant. Schule ( = Palaestra 40), 1905; C. Pichler, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben 1–2, hrsg. von E. K. Blümml ( = Denkwürdigkeiten aus Altöslerr. 5–6), 1914, s. Reg.; E. Behler, F. Schlegel in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, 2. Aufl. 1975, passim; H. Frank, . . . die Disharmonie, die mit mir geboren ward, und mich nie verlassen wird . . . Das Leben der Brendel/Dorothea Mendelssohn-Veit-S. (1764–1839) ( = Europ. Hochschulschriften, R. 1. Ser. 1, 1040), (1988) (mit Werks- und Literaturverzeichnis); C. Stern, „Ich möchte mir Flügel wünschen“. Das Leben der D. S., 1990; Mitt. E. Behler, Seattle, Wash., USA.
(E. Lebensaft)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 10 (Lfg. 47, 1991), S. 177f.
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