Schlesinger, Louis (Ludwig) (1827-um 1900), Abenteurer

Schlesinger Louis (Ludwig), Abenteurer. Geb. Großkanizsa, Kom. Zala (Nagykanizsa, Ungarn), 1827; gest. Guatemala, um 1900. Sohn eines Produktenhändlers, mos.; war nach Besuch des Gymn. als Buchhalter und Komptorist tätig, verpflichtete sich 1844 beim IR 48 als Gemeiner für zehn Jahre zum Dienst in der k. Armee, die er jedoch schon 1847 gegen Stellung eines Ersatzmannes wieder verließ. Beim Ausbruch der Revolution 1848 in Ungarn schloß er sich den Aufständ. an, fand vorerst im Kanzleidienst, dann aber als Lt. Verwendung. Kurz vor dem Waffenstillstand 1849 verstand er es, in die Festung Komorn (Komárno) zu gelangen und damit von deren speziellen Übergabsbedingungen zu profitieren. Noch im selben Jahr erhielt er einen Auswanderungspaß für Amerika, wohin er sich aber erst 1852 über England begab. Dort schloß er sich auf Kuba dem Rebellenheer unter Narciso Lopez an, geriet in Gefangenschaft und wurde vorerst zum Tod verurteilt, dann aber zu einer Kerkerhaft begnadigt, aus welcher ihm die Flucht gelang. 1856 kam er als angeblicher Obst. nach Nicaragua zu William Walker, dem Führer einer in das Land eingefallenen Gruppe (Filibuster), der im Wege von Umstürzen 1856 als Präs. die Macht ergriffen hatte. S., vorerst mit einer negativ verlaufenden diplomat. Mission nach Costa Rica betraut, erhielt noch im selben Jahr das Kmdo. über eine aus Deutschen, Franzosen und Amerikanern zusammengesetzte Div., erlitt aber im Kampf gegen Truppen aus Costa Rica eine empfindliche Niederlage. Bei der folgenden Untersuchung wurde er von seinen Untergebenen der Unerfahrenheit und persönlichen Feigheit beschuldigt und daher arretiert. Ein neuerliches Todesurteil erging in seiner Abwesenheit, denn wieder war ihm die Flucht gelungen. Er schloß sich daraufhin den Gegnern Walkers, den legitimist. Truppen, an und konnte trotz anfänglichen Mißtrauens in deren Reihen das Vertrauen von Gen. Tomás Martinez gewinnen, dem er auch eine Verschwörung gegen die Legitimisten anzeigte, wurde aber aus unbekannten Motiven bald wieder entlassen. Er ging nun zu den ebenfalls gegen Walker kämpfenden sog. demokrat. Truppen über. 1858, Martinez war inzwischen 1857 Präs. geworden, kam S. als Legationssekretär zur Botschaft nach Washington, von wo er zu Martinez zurückgesendet wurde, um diesen zur Unterzeichnung eines Vertrages über den Bau des in Konkurrenz zu dem schon damals geplanten Panamakanal projektierten sog. Nicaraguakanals zu bewegen. Mit angeblich unterfertigten Papieren begab sich S. wieder nach Washington, sowohl der Präs. der USA wie auch die Öffentlichkeit wurden vom Erfolg seiner Mission unterrichtet, nach Öffnung der Schriftstücke sah S. sich jedoch getäuscht. Wohl veranlaßt durch diesen neuerlichen Mißerfolg, suchte er1858 vergeblich um die Gewährung straffreier Rückkehr nach Österr. an. In der Folge erwarb er daher eine Kaffeeplantage in Guatemala, besuchte 1892 Ungarn und starb schließlich als angesehener Bürger Guatemalas.

W.: Personal Narrative of L. S. of Adventures in Cuba and Ceuta, tw. veröff. in: Democratic Review (New York), Sept. 1852.
L.: Vasárnapi Újság, 1892, n. 4; Budapesti Hirlap, 1892, n. 21; A. Anderle, in: Szazadok, 1973; M. Zsidó Lex.; Szinnyei; Universal Jew. Enc.; Wurzbach; B. Bernstein, Az 1848/49 – iki magyar szabadságharc és a zsidók ( = Az izr. magyar irodalmi társulat kiadványai 10), 2. Ausg. 1939, S. 333; J. Dénes, A Kossuth Emigráció Angliában és Amerikában 1851–52, 1/2, 1948, S. 634, 773; J. Pérez, Obras históricas completas, 1975, S. 204ff.; KA Wien; Hadtörténelmi Leveltár (Kriegsgeschichtliches Archiv), Budapest, Ungarn.
(F. Hillbrand-Grill)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 10 (Lfg. 48, 1992), S. 194f.
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