Schlögl, Friedrich (1821-1892), Journalist, Schriftsteller und Beamter

Schlögl Friedrich, Journalist, Schriftstellerund Beamter. Geb. Mariahilf, NÖ (Wien), 7. 12. 1821; gest. Wien, 7. 10. 1892. Sohn eines Hutmachers und späteren Billeteurs, dessen Vater aus Erfurt zugewandert war, Bruder der Vortragskünstlerin Josefine S. (s. unten), Neffe der Sängerin und Schauspielerin J. Gottdank (s. d.). S. brach den Besuch des Schottengymn. in Wien (1833–38) aus finanziellen Gründen ab und trat – vorerst als unbesoldeter Aspirant, dann langsam aufsteigend – in die Militär-Rechnungskanzlei ein, von wo er 1849 in die Hofkriegsbuchhaltung versetzt wurde. Ab 1870 i. R., konnte er sich nun ausschließlich seiner journalist. und schriftsteller. Tätigkeit widmen, deren Beginn bereits in die frühen 40er Jahre (unbezahlte Beitrr. für Z., Kal. und Sammelwerke) fällt. Bes. Bedeutung und Popularität erlangten seine unter der Chiffre F. S. in verschiedenen Wr. Tagesztg., wie „Der Wanderer“, „Deutsche Zeitung“ und insbes. „Neues Wiener Tagblatt“ (in dessen Auftrag und als dessen zeitweises Red.Mitgl. er als Reiseberichterstatter u. a. auch nach Ägypten und in die Schweiz reiste), veröff. Beitrr. sowie jene für die von seinem Freund Karl Sitter 1857 gegründete satir. Z. „Figaro“, für die S. durch 20 Jahre tätig blieb (1876 gründete er zu diesem Bl. sogar eine eigene Beilage, „Wiener Luft“). Seine schriftsteller. und journalist. Arbeit führte S. mit vielen bedeutenden Autoren seiner Zeit zusammen, mit einigen von ihnen verband ihn eine langjährige Freundschaft, so mit L. Anzengruber und P. Rosegger (beide s. d.), für dessen „Heimgarten“ er später häufig Beitrr. lieferte. S., ein Meister der Kurzprosa, ließ viele seiner Feuilletons, Skizzen usw. auch ges. erscheinen: Eine erste Smlg. seiner Wr. Lebensbilder veröff. er unter dem Titel „Wiener Blut“ (1873), mit „Wiener Luft“ (1876) und „Wienerisches“ (1883) erhielt sie zwei Fortsetzungen, die S. einen großen Bekanntheitsgrad auch bei breiteren Leserschichten brachten. Ähnlich wie später Vinzenz Chiavacci verstand sich S. vor allem als Chronist, der die kulturhist. interessanten Ereignisse und Persönlichkeiten seiner Zeit sowie Typen des Wr. Volkslebens ebenso festhielt wie alltägliche Begebenheiten, wobei scharfe Beobachtungsgabe und ausgeprägter Sinn für das Detail ihn durchaus auch die Unzulänglichkeiten, Fehler und Schwächen der Stadt Wien und ihrer Bewohner porträtieren und mitunter sozialkrit. aufzeigen ließen. Die Verbindung von Dialekt und volkstümlicher Sprache mit formaler Gestaltungskraft (seine pointensichere Formulierung verrät den humanist. gebildeten Journalisten) machte S. zu einem „Vorstadtklassiker“, zum Volksschriftsteller im besten Sinn, der zugleich zu einer interessanten Quelle für das Leben in der Stadt Wien im 19. Jh. wurde. Die späten vierziger und die fünfziger Jahre des 20. Jh. brachten, wohl auf der Suche nach einer eigenen Identität und im Bestreben, nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs ein positives Bild der Stadt Wien und ihrer Bewohner zu erlangen, auch eine vorübergehende Renaissance der Werke s.S. In heutiger Einschätzung ist der Autor nicht unbedingt als schöngeistiger Künstler, sehr wohl aber als handfester Schriftsteller und dichter. begabter Journalist zu sehen. S. war der Bruder der Vortragskünstlerin Josefine S. (geb. Wien, 14. 10. 1824; gest. ebenda, 1. 2. 1902), die nach einer kurzen Bühnenlaufbahn ab 1850 mit dem Landschafts- und Tiermaler Rudolf Swoboda, danach mit Karl Wurm verheiratet war.

W.: Alte und Neue Historien von Wr. Weinkellern, Weinstuben und vom Weine überhaupt, 1875; Ueber F. Sauter, den Dichter und Sonderling, 1884; Wien ( = Städtebilder und Landschaften aus aller Welt 33/37), 1886; Ges. Schriften, 3 Bde., (1893) (mit biograph. Einleitung); Zu meiner Zeit. Skizzen und Kulturbilder, ausgewählt und eingeleitet von E. Frank, (1944); Wr. Skizzen, eingeleitet und kommentiert von F. Karmel, 1946; Wr. Miniaturen, hrsg. und eingeleitet von H. M. Loew ( = Österr.-R. 9), (1955); Aus meinem Felleisen. Kreuz- und Querzüge eines Wr. Ztg.Schreibers ( = Dt.-österr. National-Bibl. 127/128), o. J.; usw.; zahlreiche Feuilletons in Z. und Ztg. – Nachlaß, Hss. Smlg., Wr. Stadt- und Landesbibl., Wien.
L.: Neues Wr. Tagbl. vom 7. (Abendausg.) und 8. 10. 1892 und 14. 8. 1944; Figaro vom 15. 10. 1892 (Ged.); G. A. Ressel, in: Heimgarten 16, 1892, S. 207f.; ADB; Brümmer; Groner; Kosch; Nagl-Zeidler-Castle 2–4, s. Reg.; Wurzbach; P. K. Rosegger, Gute Kameraden, 1893, S. 89ff. (mit Bild); J. Newald, F. S. Erinnerungen an einen alten Wr., 1895; A. Öllerer, F. S., phil. Diss. Wien, 1928 (mit Feuilletonverzeichnis ab 1863); B. Jasper, Das Feuilleton in der Wr. Tagespresse der Gegenwart, phil. Diss. Wien, 1956, bes. S. 42 f., 59ff.; F. Negrini, F. S. als Tagesschriftsteller, phil. Diss. Wien, 1957; J. Kreuzer, Das literar. Porträt im Feuilleton, phil. Diss. Wien, 1970, bes. S. 160ff.
(D. Schmutzer)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 10 (Lfg. 48, 1992), S. 210f.
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