Schmitt, Franz (1802-1874), Politiker und Jurist

Schmitt, — Franz Politiker und Jurist. Geb. Freudenthal, österr. Schlesien (Bruntál, Tschechoslowakei), 2. 7. 1802; gest. Wien, 7. 6. 1874. Sohn eines Oberbeamten und Güterinsp. des Hoch- und Deutschmeisters; S. stud. 1821–23 Jus am Lyzeum in Olmütz (Olomouc), vollendete jedoch sein jurist. Stud. unter dem Protektorat von Erzh. Anton Viktor (s. d.), der ihn zum Anwalt der Hoch- und Deutschmeister ausersehen hatte, 1823–27 an der Univ. Wien, 1828 Dr. jur.; 1833 wurde er als Hof- und Gerichtsadvokat in Wien vereidigt, 1840 als Beförderer in den Ver. der Ersten österr. Spar-Casse aufgenommen, in dem er 1842/43 als Vorsteher, 1844 als Curator, 1859 als Dir., 1863–65 als stellvertretender Obercurator und ab 1873 als Ehrenmitgl. fungierte. Am 20. 7. 1848 wurde S. zum Präs. des ersten österr. Reichstags gewählt. Er verdankte seine Wahl dem allg. Bestreben, einen Mann zu finden, der für kein polit. Programm stand. Am 22. 7. 1848 begrüßte S. Erzh. Johann (s. d.) bei der Eröffnung des Reichstags und setzte den 24. 7. 1848 als Arbeitsbeginn fest. Angeblich aus gesundheitlichen Gründen gab er bereits am 29. 7. für einige Zeit den Vorsitz ab. An der Spitze einer Deputation, die K. Ferdinand (s. d.) zur Rückkehr nach Wien auffordern sollte, reiste S. im August nach Innsbruck. Am 12. 8. empfing er den K. in Wien, wobei seine wahrscheinlich über Interventionen der Kn. Maria Anna (s. d.) äußerst demütig gehaltene Adresse den Zorn der Liberalen erregte. Am 17. 8. 1848 trat S. der Geschäftsordnung entsprechend zurück. 1850–55 war er Mitgl. des Wr. Gemeinderats, als welches er sich bes. im Bereich des Armenwesens und in Rechtsangelegenheiten engagierte. 1850 wurde er zur ministeriellen Beratung eines Entwurfs der Jurisdiktionsnorm sowie des 1. Notariatsgesetzes beigezogen. Als Mitgl. des Kammerausschusses 1850–69 war S. in mehreren legislativen Komm. tätig, so auch bei der Begutachtung des Entwurfs eines allg. dt. Obligationsrechts und der gesetzlichen Bestimmungen über Aktienges. 1865–69 war er Vizepräs. der Kammer, 1860 Superintendent der schles. Bursa-Stipendienstiftung. Anwalt des Dt. Ritterordens und des Herzogs von Modena, wurde ihm 1872 das Ritterkreuz des Estens. Adlerordens verliehen. S. war zweimal verheiratet und hinterließ einem seiner Söhne seine Wr. Kanzlei.

W.: Die Behandlung der Gläubigen nach österr. Privatrechte, 1828 (Diss.); Zur Verfassungsfrage Oesterr., 1861; Die Rechtsverhältnisse Ungarns zu den übrigen Ländern der österr. Monarchie, als Entgegnung auf Deák’s Adreß-Antrag, 1861; usw.
L.: Wr. Ztg. vom 9. 6. 1874; Jurist. Bll. 3, 1874, S. 299 f.; F. W. Ebeling, Hist. Darstellung und Kritik des ersten österr. Reichstages bis zu seiner Prorogation, H. 1, 1848, S. 2, 39; Verhh. des österr. Reichstages nach den Stenograph. Aufnahmen 1, 1849 (Nachdruck 1970), passim; Handbüchlein für den Gemeinderath der k. k. Reichshauptund Residenzstadt Wien, 1851, S. 152, 166; Erinnerungs-Bll. an die 50jährige Jubelfeier der ersten österr. Sparkasse, 1869, S. 21 f.; H. Reschauer – M. Smets, Das Jahr 1848, 2, 1872, S. 433, 446, 467, 473 (mit Bild); (J. A.) Frh. v. Helfert, Aufzeichnungen und Erinnerungen aus jungen Jahren . . ., 1904, s. Reg.; R. Kiszling, Die Revolution imKaisertum Österr. 1848–49, 1, 1948, S. 160, 201 f., 205; A. Novotny, 1848 . . ., 1948, S. 48; A. Madonizza, Lettere dalla Costituente Austriaca del 1848–49, hrsg. von G. Quarantotti ( = Monumenti storici pubblicati dalla Deputazione di Storia Patria per le Venezie, nuova ser. 19), 1966, s. Reg.; G. Asmera, Der Reichstag 1848 in Wien und seine polit. Gruppierungen, phil. Diss. Wien, 1985, 1, S. 150, 174, 180, 184, 2, S. 19, 221 (mit Bild); UA Olomouc, Tschechoslowakei; Mitt. H. Grössing, Wien.
(F. Pichorner – R. Rill)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 10 (Lfg. 48, 1992), S. 256f.
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