Schmidt, Friedrich Frh. von (1825-1891), Architekt

Schmidt, — Friedrich Frh. von Architekt. Geb. Frickenhofen, Württemberg (Deutschland), 23. 10. 1825; gest. Wien, 23. 1. 1891. Sohn eines Pastors; trat nach dem Stud. am Stuttgarter Polytechnikum (1840–43) bei Adolf Breymann, das er gleichzeitig durch die Steinmetzlehre und mittels selbständiger Stud. der got. Baudenkmäler Schwabens ergänzte, 1843 in die Kölner Dombauhütte ein, wo er bis zum Werkmeister aufstieg. 1848 legte er die Meisterprüfung als Maurer und Steinmetz ab, 1856 die Baumeisterprüfung an der Berliner Bauakad. Ab 1847 entwikkelte er nebenberuflich eine umfangreiche Entwurfs- und Bautätigkeit, die architekton. Kleinobjekte ebenso einschloß wie Restaurierungen und Umbauten mit dem Schwerpunkt im sakralen Sektor. Ab 1851 betrieb er eine private Baufirma. S.s angeblich schon in den Jugendjahren bekundete Vorliebe für die Gotik verdichtete sich um die Jh.Mitte zu speziellem Expertentum, doch blieb ihm eine weitere Karriere innerhalb der Dombauhütte nicht zuletzt wegen seines Protestant. Glaubens versagt. Ein Denkmalsauftrag hatte S. Kontakte zu Österr. eröffnet, die sich 1855 vertieften, als er aus der Konkurrenz um die Votivkirche als einer der Preisträger hervorging. Erzh. Ferdinand Maximilian (s. d.) war dadurch auf ihn aufmerksam geworden und ließ ihn 1857 durch den Unterrichtsminister Gf. Leo Thun-Hohenstein an die Akad. in Mailand berufen, wo S. das Gebiet der mittelalterlichen Architektur betreute (bis 1859). Nun konvertierte er auch zum Katholizismus. 1859 wurde er Prof. für mittelalterliche Kunst an der Wr. Akad. der bildenden Künste, wo er 1865 eine Spezialschule für Architektur übernahm, die er bis zu seinem Tod leitete; 1872–74, 1876–78 und 1882–84 Rektor. Nach Überwindung anfänglicher Widerstände entwickelte sich S. in Wien bald zu einer der führenden Künstlerpersönlichkeiten der Ringstraßenzeit und verschaffte sowohl im Sakral- wie im Profanbau der Neugotik entschiedene Geltung. 1860 wurde er Mitgl. der Baukomm. des Stephansdoms und der k. k. Central-Comm. zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, 1862 übernahm er die Oberleitung der Bauhütte von St. Stephan und den Vorsitz des Ver. Wr. Bauhütte; 1863 Dombaumeister. 1866–68, 1870–72, 1874–77, 1879–81, 1883–85 stand er dem Österr. Ing.- und Architektenver. vor. S.s Bedeutung beruht v. a. auf drei Tätigkeitsbereichen: als internationaler Baukünstler, als Denkmalpfleger und als Lehrer mit signifikanter Schulwirkung. Der Künstler und der Restaurator lassen sich in seinem Schaffen nicht trennen, was manche Werke trotz aller Großartigkeit zwiespältig erscheinen läßt, da das Schöpfer. in den Umgestaltungen oft überwiegt (Stephansdom, Stift Klosterneuburg, Burg Vajdahunyad usw.). S. gilt v. a. als Gotiker, was aber nicht doktrinär zu verstehen ist, da sich in seinem Œuvre nicht nur divergente got. Traditionen kreuzen, sondern auch verschiedene, das Spezialistentum relativierende Stilidiome, die tw. der Neorenaissance und der Neoromanik angehören. Zu den Französ. wie Niederländ. einschließenden Grundlagen der Kölner Zeit gesellten sich die italien. Erfahrungen, die Eindrücke des süddt. und südosteurop. Spätmittelalters und sogar des Barocks. Demgemäß verschränkte er die – gleichwohl dominierenden – streng historist. Stilelemente sowohl mit romant. Tendenzen wie mit späthistorist. Zügen. Nicht nur zahlenmäßig treten im Sakralbau die Pfarrkirchen hervor. S. nützte die für Wien von H. Bergmann (s. d.) begründete Tradition des neugot. Backsteinbaus und erhob diesen zum dominanten Modus (St. Othmar, 1863, usw.). Den Höhepunkt brachte die Kirche Maria vom Siege in Wien, 1859–75, in der die Gotik mit dem barocken Zentralkuppelschema verschmilzt. S.s Wirken erstreckte sich aber auch auf die Kronländer (St. Nikolaus in Innsbruck, 1874–84, Turm der Stadtpfarrkirche von Steyr, 1877–89), Entwürfe galten sogar wiederholt ausländ. Vorhaben (Dom für Madrid, 1859, Kathedrale für Tsching-Ting/China, 1868, Kathedrale für Bukarest, 1872–86). Im Profanbau setzte er in Wien gegen beträchtliche Opposition die Neugotik in einer mehr klass. durchdrungenen Interpretation als Monumentalstil durch (Akadem. Gymn., 1860–63, Rathaus, 1868–83,Sühnhaus, 1882–86) und propagierte mit dem Erweiterungsbau der Österr.-ung. Bank in der Bankgasse 1873–1875 die sog. altdt. Stilvariante, die dt. Renaissance. Daneben widmete er sich mehrfach auch dem Schloßbau (z. B. Fischhorn, Salzburg, 1866–70). Unter den weiteren Restaurierungen bzw. Umbauten sind u. a. hervorzuheben: Santa Maria dell’Orto, Venedig, 1858 ff., Burg Karlstein (Karlštejn), 1870 bzw. 1877 ff., Dom zu Agram (Zagreb), 1874–85, Burg in Meran (Merano), 1875 bzw. 1878 ff., Postgebäude in Basel, 1877–80, Katharinenkirche, Oppenheim, um 1877–89, Dom zu Fünfkirchen (Pécs), 1882–91, Burg Runkelstein, Südtirol, 1883–88, Burg Waidhofen a. d. Ybbs, 1887 ff. Als Lehrer forcierte S. das Stud. vor dem Original. Die daraus resultierenden Bauaufnahmen wurden durch die Wr. Bauhütte publ. und bilden eine der wichtigsten Architekturdokumentationen des 19. Jh. Zu seinen Schülern, die er tw. auch als Mitarbeiter beschäftigte, zählten viele bedeutende Architekten, die sich Stilist. meist eindeutig als der „Schmidt-Schule“ zugehörig bekundeten, so z. B. G. Hauberrisser, R. Jordan, V. Luntz, F. v. Neumann d. J. (alle s. d.), Friedrich Schulek, Ludwig Wächtler, Josef Wessiken, Alexander Wielemans u. a. S. erfuhr zahlreiche Ehrungen, so 1865 Oberbaurat, 1883 Ehrenbürger der Stadt Wien, 1886 Erhebung in den Frh.Stand, 1888 Herrenhaus-Mitgl. Aus der Ehe (1849) mit Katharina Mohr, der Schwester des Kölner Bildhauers Christian Mohr, die später geschieden wurde, stammten zwei Kinder. Die Tochter Frida ehelichte den Bildhauer Jarl (s. d.), der Sohn Heinrich Frh. v. S. (geb. Köln, Deutschland, 8. 3. 1850; gest. München, Deutschland, 4. 9. 1928) wurde Architekt. Er stud. 1869–73 an der Bauschule der Techn. Hochschule in Wien Architektur u. a. bei H. Ferstel (s. d.) und K. v. Lützow (s. d.), war an mehreren Bauten seines Vaters beteiligt und ließ sich später in München nieder, wo er an der Techn. Hochschule lehrte. Zu seinen Werken zählen u. a.: St. Marien in Kaiserslautern, 1887–92, St. Maximilian in München, 1895–1901.

W.: s. Werksverzeichnis bei U. Planner-Steiner u. a., F. v. S. – G. Semper, C. v. Hasenauer ( = Die Wr. Ringstraße 8/2), 1978.
L.: H. Stöckelmaier, in: Österr. Z. für Kunst und Denkmalpflege 43, 1989, S. 33 ff.; P. Csendes, in: Wr. Geschichtsbll. 46, 1991, S. 31 ff.; ADB 55; Groner; N. Österr. Biogr. 18, S. 178 ff.; Thieme-Becker; Wurzbach; Carl Stoeckl, Der Oesterr. Ing.- und Architekten- Ver. 1848–98, (1899), S. 109; E. Neumann, F. v. S., phil. Diss. Wien, 1952 (mit Werksverzeichnis); Dizionario Enc. di Architettura e Urbanistica 5, (1969); R. Wagner-Rieger, Wiens Architektur im 19. Jh., 1970, s. Reg.; F. Czeike, Das Rathaus ( = Wr. Geschichtsbücher 12), (1972), bes. S. 37ff.; R. Wagner-Rieger, in: Geschichte der bildenden Kunst in Wien. Geschichte der Architektur in Wien ( = Geschichte der Stadt Wien, NR 7/3), 1973, s. Reg.; dies., in: Tausend Jahre Österr. 2, hrsg. von W. Pollak, (1973), S. 294ff.; W. Palme-Comploy, in: FS O. R. v. Lutterotti zum 14. Januar 1974, hrsg. von V. Grabmayr und H. Mackowitz ( = Veröff. der Univ. Innsbruck 85), 1973, S. 363ff.; U. Planner-Steiner u. a., F. v. S. – G. Semper, C. v. Hasenauer ( = Die Wr. Ringstraße 8/2), 1978, S. 7 ff. (mit Werksverzeichnis); M. Zykan, Der Stephansdom ( = Wr. Geschichtsbücher 26/27), (1981), S. 199ff.; U. Planner-Steiner, in: Wr. Rathausbuch, (1983), bes. S. 30 ff; Á. Moravánszky, Die Architektur der Donaumonarchie, (1988), s. Reg.; F. v. S. (1825–91). Ein got. Rationalist, Wien 1991 (Kat.).
(W. Krause)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 10 (Lfg. 48, 1992), S. 262ff.
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