Schoeller, Philipp Wilhelm d. Ä. von (1797-1877), Großindustrieller

Schoeller Philipp Wilhelm von d. Ä., Großindustrieller. Geb. Düren, Jülich (Deutschland), 20. 2. 1797; gest. Brünn, Mähren (Brno, Tschechien), 14. 5. 1877. Sohn des Dürener Tuchfabrikanten Johann Wilhelm S. (Düren, 3. 6. 1770/Taufdatum; gest. ebenda, 13. 6. 1812), Vater von Gustav und Philipp Johann (beide s. d.), Cousin von (Wilhelm) Alexander (s. d.), Großvater von Richard und Philipp Joseph (beide s. d.), Großonkel von Robert (s. d.) und Friedrich v. S. (s. u. Robert v. S.); seine Töchter Marie und Auguste heirateten in die Industriellenfamilie Skene ein; evang. Nach Reisen in Belgien, Frankreich und England übernahm S. 1823 die Leitung der von den Brüdern Johann Peter, Carl Friedrich und Heinrich Leopold S. 1820 gegründeten Brünner Fa. „Gebrüder Schoeller k. k. priv. Feintuch- und Schafwollwarenfabrik“ (später auch deren Miteigentümer). Er erwies sich als äußerst innovativer Unternehmer, der durch Einführung neuester Technol. (so standen 1824 bereits 45 Webstühle und eine Dampfmaschine mit 18 PS in Betrieb, 1826 wurden der Fa. zwei Patente für bessere maschinelle Nutzung erteilt, und 1827 wurde die Fabrik als erste in Österr. mit Gas beleuchtet), durch Ausbau der Verkaufsorganisation (Niederlassungen in Wien und Mailand), aber auch durch soziale Maßnahmen (1826 Errichtung einer Arbeiter-Krankenkassa) den rasch expandierenden Betrieb zu einem der bedeutendsten Ind.Unternehmen der Monarchie ausgestaltete. Die Produkte der Fa., die sich eines ausgez. Rufs erfreuten, erhielten zahlreiche Ausz. auf den großen internationalen Ausst. Durch von ihm dabei angeknüpfte Beziehungen, u. a. mit übersee. Märkten, erschloß S. nicht nur für die eigenen Produkte, sondern auch anderen Brünner Tuchfabrikanten neue Exportmöglichkeiten. Daneben war S. auch an einer Reihe anderer Wirtschafts- und Ind.Betriebe der Familie S. beteiligt, u. a. war er Gesellschafter von „Schoeller & Co.“ in Wien, Mitbesitzer der böhm. Herrschaften Czakowitz und Čtěnitz (Vinoř) sowie des ung. Leva (Levice) und, da er wie Alexander v. S. die Bedeutung der aufstrebenden Rübenzuckerind. erkannte, gem. mit diesem Mitbegründer bzw. -eigentümer der Zuckerfabriken in Groß-Čakowitz (heute Prag) und Wrdy (Vrdy). S.s bedeutende Rolle im Wirtschafts- und Kommunalleben Brünns zeigt sich auch an seinen diversen Funktionen, so war er u. a. Stellv. Vorsitzender im Verwaltungsrat der Mähr. Escompte-Bank, Dir. der Brünner Filiale der Nationalbank, der Wechselseitigen Mähr. Feuerversicherungsanstalt und der Brünn-Rossitzer-Eisenbahn AG, Vizepräs. des Brünner Handelsver. und 1850–77 Mitgl. der Brünner Handels- und Gewerbekammer. 1849–61 Ausschußmitgl. der Brünner Gmd.Vertretung, darüber hinaus 1848/49 Mitgl. des Mähr. Landtags, wurde er 1860 in den verstärkten Reichsrat berufen. Ab 1826 war er auch Vorstand der Brünner Evang. Gmd. S. erhielt zahlreiche Ausz. und Orden, 1863 wurde er wegen seiner Verdienste um die österr. Textilind. und den Exporthandel sowie wegen seines gemeinnützigen Wirkens nob.

L.: Tagesbote aus Mähren und Schlesien, 21. 2., 16. und 17. 5. 1877; Großind. I, Bd. 4, S. 131, II, Bd. 3, S. 8; Slokar, s. Reg., bes. S. 332ff.; Wurzbach; Rückblick auf die Schafwollwaren-Ind. Brünns von 1765–1864 … (= Statist. Arbeiten der Handels- und Gewerbe-Kammer in Brünn 2), 1866, bes. S. 11, 29; H. Heller, Mährens Männer der Gegenwart 4, 1890; A. V. Schoeller, Geschichte der Familie S., 1894, S. 66f., 318; G. Trautenberger, Die Chronik der Landeshauptstadt Brünn 5, (1897), s. Reg. (auch unter Brüder S.); E. Deutsch, G. Ritter v. Schoeller, (1905), S. 7ff.; H. Frh. v. Dumreicher, 100 Jahre Haus S., 2. Aufl. 1934, bes. S. 32; G. Haas, Zur Geschichte der Brünner Ind. …, 1943, S. 20, 23f., 26; H. Benedikt, A. v. Schoeller …, 1958, bes. S. 30ff. (mit Bild); H. Kellenbenz, in: Bohemia 3, 1962, S. 249ff.; AVA, Wien; Mitt. Philipp Schoeller, Wien.
(E. Lebensaft)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 51, 1995), S. 26
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