Schönborn, Friedrich Gf. (1841-1907), Politiker

Schönborn Friedrich Gf., Politiker. Geb. Prag, Böhmen (Praha, Tschechien), 11. 9. 1841; gest. Wien, 21. 12. 1907. Bruder der beiden Vorigen und des Folgenden, Onkel des Johann Gf. S. (s. u. Karl Gf. S.). S. stud. 1864–72 an der Univ. Prag Jus (1872 Dr. jur.), bildete sich durch ausgedehnte Reisen weiter und engagierte sich zunächst im Prager Ver.Wesen, u. a. als Präses des Prager Dombauver. (ab 1871) und als Geschäftsleiter des Kunst-Ver. für Böhmen. Er publ. einige jurist. Arbeiten, kandidierte 1880 erfolglos für den Reichsrat, im selben Jahr berief ihn jedoch das Abg.Haus an den Staatsgerichtshof. Ab 1881 lebenslängl. Mitgl. des Herrenhauses, 1883 Geh. Rat. S., 1881–88 Statthalter von Mähren, wurde 1884 in den mähr. Landtag gewählt, legte aber nach Anfechtung des Votums sein Mandat nieder und verzichtete 1886 auf die Wiederwahl. Obwohl er nie im Justizdienst tätig gewesen war, bestellte Min.Präs. Eduard Gf. Taaffe S. 1888 zum Justizmin. Dieses Amt hatte er auch im Kabinett Windischgraetz bis 1895 inne. Seinen Mangel an prakt. Erfahrung kompensierte er durch die Heranziehung der Justizexperten Emil Steinbach und Franz Klein (s. d.); letzteren betraute er mit der Ausarbeitung des Entwurfes einer Zivilprozeßordnung, die auch internationale Beachtung fand. S. wandte sich gegen eine zu restriktive Einschränkung der Pressefreiheit und war insbes. um Objektivität bei Richterernennungen bemüht. 1890 war er maßgebend am Zustandekommen des dt.-tschech. Ausgleichs beteiligt, zu dessen Durchführung er die sog. Schönbornschen Sprachenverordnungen erließ, und setzte sich u. a. für die innere dt. Amtssprache ein. Wegen seines Vorgehens bei der Errichtung eines dt.sprachigen Gerichtsbez. beantragte die jungtschech. Partei erfolglos eine Min.Anklage gegen S. Als Nachfolger von R. Gf. Belcredi (s. d.) wurde S. 1895 Präs. des Verwaltungsgerichtshofs und ließ sich auch in dieser Funktion nicht durch Interventionen, u. a. seitens des Thronfolgers, beeinflussen. Unter seiner Ägide wurde das Gremium erweitert und 1907 eine neue Geschäftsordnung erlassen. S. engagierte sich auch auf kulturellem Gebiet: So war er u. a. 1901–07 Mitgl. der Dion. der Ges. der Musikfreunde und ab 1905 Präs. des Kuratoriums des k. k. Österr. Mus. für Kunst und Ind. Gemäß seinem kath.-konservativem Weltbild gehörte er der Anti-Duell-Bewegung an. S. vermochte sich jeweils rasch den Erfordernissen seiner Ämter anzupassen und war bestrebt, polit. Gegensätze durch Einsatz persönl. Verbindungen abzubauen.

W.: Böhmen und Oesterr., 1870; Randglossen zum Entwurfe eines neuen Strafgesetzes, 1878; Wirkungen der Neuschule, 1881; Le Tribunal de la Haye, in: Revue bleue 38, 1901, n. 23; Begegnungen, in: Dt. Revue 27, 1902, Bd. 1; Richard Gf. Belcredi, in: Biograph. Jb. 7, 1905; Ein Spaziergang durch Prag. Vortrag, gehalten am ersten Ges.Abend österr. Kunstfreunde, (1905); Gefühle beim Wechsel im Auswärtigen Amt, in: N. Fr. Pr., 23. 10. 1906; zahlreiche Artikel in Z. und Ztg.; usw.
L.: Dt. Ztg. Bohemia, Fremden-Bl., N. Fr. Pr., 21. (alle Abendausg.), Das Vaterland, 21. (Abendausg.), 22., RP, 22. 12. 1907; Biograph. Jb. 12, 1909, S. 36ff. (s. Schönborn-Buchheim); Czedik 1–3, s. Reg.; Otto, Erg.Bd. V/2; H. Heller, Mährens Männer der Gegenwart 1, 1885, S. 58ff.; G. Kolmer, Parlament und Verfassung in Österr. 3–8, 1905–14, s. Reg.; ders., Das Herrenhaus des österr. Reichsrats, 1907 (s. Schönborn-Buchheim); Jurist. Bll. 36, 1907, S. 618; Právník 46, 1907, S. 880; Allg. österr. Gerichts-Ztg. 59, 1908, S. 4ff.; E. Mayer, Jurist. Bll., 37, 1908, S. 302 (s. Schönborn-Buchheim); Kunst und Kunsthandwerk 11, 1908, S. 56; E. Plener, Erinnerungen 2–3, 1921, s. Reg.; M. Navrátil, Almanach československých právníků, 1930 (s. Schönborn-Buchheim); J. Schenk, in: 60 Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österr., 1936, S. 6f.; A. Langer, Männer um die österr. Zivilprozeßordnung 1895, 1990, S. 87ff.; UA Praha, Tschechien; Mitt. Jana Brabencová, Praha, Tschechien, und Helmut Slapnicka, Linz, OÖ.
(F. Lehne)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 51, 1995), S. 57f.
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