Schönerer Georg von, Politiker. Geb. Wien, 17. 7. 1842; gest. Schloß Rosenau (Zwettl-Rosenau Schloß, NÖ), 14. 8. 1921. Sohn des Folgenden, Bruder der Vorigen; ab 1900 evang. AB. S. besuchte zunächst die Realschule in Wien und setzte seine Schulausbildung ab 1856 in Dresden fort. Ursprüngl. für einen kaufmänn. Beruf vorgesehen, begann er 1861 landwirtschaftl. Stud. in Tübingen und absolv. 1861–63 die landwirtschaftl. Akad. in Hohenheim (Württemberg), 1863–65 die höhere landwirtschaftl. Schule in Ung.- Altenburg (Magyar-Ovár). Hierauf arbeitete er 1865–67 in Böhmen als Praktikant auf den Schwarzenberg. Besitzungen sowie auf jenen Erzhg. Albrechts und unternahm danach 1867/68 Stud.Reisen ins Ausland. Nach seiner Rückkehr verwaltete er ab 1869 den Besitz seines Vaters in Rosenau und baute dort eine Musterlandwirtschaft auf. Innerhalb kurzer Zeit brachte es S. aufgrund seines Engagements für die Bauern wie auch z. B. durch die Gründung einiger Feuerwehren zu beachtl. Popularität in seinem Heimatbez. und wurde daher 1873 in das Abg.Haus des Reichsrats gewählt, wo er zunächst v. a. durch die Behandlung von Agrarthemen hervortrat. Bis 1876 gehörte er dem liberalen Fortschrittsklub an, trat aber aus diesem wegen polit. Differenzen aus. 1877 legte er überraschend sein Mandat zurück, ließ sich aber gleich darauf erneut in den Reichsrat wählen. Als erster Abg. erregte er durch überzogene Polemik in seinen Reden mehrfach großes Aufsehen. S., 1878–83 auch Abg. zum nö. Landtag, wurde zur treibenden Kraft des, vorerst v. a. noch von student. Burschenschaften getragenen, Dt.Nationalismus. Zunächst Vors. des Dt. Lesever. und im Aufsichtsrat des Dt. Schulver., gründete er 1881 die Z. „Deutsche Worte“ (ab 1883, nach der Trennung von Pernerstorfer, „Unverfälschte Deutsche Worte“), rief 1882 den dt.nationalen Ver. als Plattform für seine polit. Aktivitäten ins Leben und veröff. das Linzer Programm, an dessen Ausarbeitung u. a. V. Adler, Pernerstorfer und H. Friedjung (alle s. d.) mitbeteiligt waren und das neben wirtschaftl. und sozialen Punkten auch die Forderung nach der dt. Staatssprache, die Erweiterung des Wahlrechts und die Zollunion mit dem Dt. Reich enthielt. Zunehmend verstärkte sich sein Antisemitismus in der Form des Rassenantisemitismus, was 1885 auch in einem antisemit. Zusatz zum Linzer Programm zum Ausdruck kam. In dieser Hinsicht wie in seiner starken Betonung des Germanenkultes war er Vorbild und Anreger Hitlers (s. d.), der ihn in „Mein Kampf“ sehr positiv bewertet. Antislaw. eingestellt und Anhänger einer Vereinigung der dt.sprachigen Gebiete der Monarchie mit dem Dt. Reich, agitierte S. gegen den Bestand der Habsburgermonarchie und war überdies ein glühender Verehrer der Hohenzollern und Bismarcks, der seinerseits mit S. allerdings nichts zu tun haben wollte. Einer der Höhepunkte seiner ersten parlamentar. Phase war 1884 sein Eintreten für die Verstaatlichung der K. Ferdinand-Nordbahn, deren Konzession bis dahin mehrheitl. das Bankhaus Rothschild innegehabt hatte. Ein für seine radikale Denkungsweise typ. Akt, der 1888 erfolgte Überfall auf die Red. des Neuen Wr. Tagblatts – dieses hatte den Tod K. Wilhelms I. verfrüht gemeldet –, brachte ihm nach seiner Auslieferung durch das Abg.Haus eine viermonatige Kerkerstrafe, den Verlust des Mandats für fünf Jahre und des Adelsprädikats. Diese Verurteilung bedeutete einen kaum mehr wettzumachenden Rückschlag für seine polit. Karriere, viele seiner Anhänger wanderten zu anderen Parteien ab. In dieser Zeit widmete er sich dem Dt. Volksver., der Nachfolgeorganisation des aufgelösten Dt.nationalen Ver. und dem Bund dt. Landwirte in der Ostmark. Seine Rückkehr in den Reichsrat gelang ihm 1897, als er – da er und seine Anhänger ihre Aktivitäten nun zunehmend ins tschech.-dt. Grenzgebiet verlagert hatten – im Bez. Eger (Cheb) gewählt wurde. Bes. beim Streit um die Badenischen Sprachenverordnungen 1897 konnte sich S. nochmals profilieren und war am Sturz Badenis (s. d.) führend beteiligt. Im Gefolge dieser Ereignisse trat S. – immer schon antiklerikal eingestellt – an die Spitze der Los-von-Rom-Bewegung, konvertierte selbst zur evang. Konfession und ließ in Zwettl eine, 1904 eingeweihte, evang. Kirche errichten. Bei den Reichsratswahlen 1901 gelang ihm mit seiner sich nunmehr Alldt. Vereinigung nennenden Gruppierung ein großer Erfolg, der aber durch die Abspaltung der Freialldt. Partei (später Dt.radikale Partei) um Karl Hermann Wolf sowie durch das spätere Auftreten anderer dt.nationaler Kleinparteien schon bald wieder geschmälert wurde. Schließl. unterlag S., früher Verfechter, nunmehr Gegner des allg. Wahlrechts, bei den Wahlen 1907 dem sozialdemokrat. Gegenkandidaten und zog sich darauf allmähl. aus dem polit. Geschehen zurück. 1917 erhielt er durch eine Amnestie K. Karls (s. d.) sein Adelsprädikat zurück. S., eine charismat. Persönlichkeit, war wegen seiner extremen Positionen und seines streitlustigen Naturells nie integrativer Führer einer großen Partei, jedoch reichte seine Wirkung als einer der ideolog. Vordenker und Wegbereiter des Nationalsozialismus über seinen Tod hinaus. Auf seinen bes. Wunsch hin wurde er 1922 in der Nähe Bismarcks im Sachsenwald bei Hamburg beigesetzt.