Schor (Schorr), Baruch (Boruch) (1823-1904), Kantor und Komponist

Schor (Schorr) Baruch (Boruch), Kantor und Komponist. Geb. Lemberg, Galizien (L’viv, Ukraine), 1823; gest. ebenda, 7. 4. 1904. Aus einer alten chassid. Familie, Sohn des Chaim Mosche S., der ihn in Bibel und Talmud unterrichtete; mos. Schon als Kind erregte seine Altstimme bei chassid. Festen Aufsehen, mit neun Jahren wurde er Chorsänger bei dem berühmten Odessaer Chasan (Kantor) B’zalel Schulsinger (genannt Odessaer), der ihn in Lemberg gehört hatte, mit elf Jahren bei Jeruchem Blindmann (genannt Hakoten), dann in Jassy (Iaşi). Seine Tätigkeit als Kantor begann S. 1841 in Chotin, 1848–50 wirkte er in Kamenec-Podol’skij, 1851–54 in Jassy, bis er 1855 an den renommierten Rambam-Tempel in Buda (Budapest) kam. Ab 1859 Kantor an der Hauptsynagoge in Lemberg, stand er als Sänger und Komponist in hohem Ansehen, doch brachte ihn ein Vorfall nach der Urauff. seiner Oper „Shimshon Hagibor“ (1890) am jüd. Theater (er trat mit der Primadonna vor den Vorhang, um sich für den Beifall zu bedanken) in Konflikt mit den konservativen Kreisen seiner Gmd. Die Suspendierung von seinem Amt auf vier Wochen konnte S. nicht überwinden und ging in die USA. Er wurde 1891 in New York Kantor an der Attorney Street Synagoge („Mogen Awrohom Schul“), gründete 1894 die „Jewish Ministers Cantors Association (Chasonim Farband)“, die erste Kantorenorganisation in den USA, kehrte aber trotz größten Erfolgs 1896, von einer Delegation aus Lemberg dazu bewogen, an seine frühere Wirkungsstätte zurück. S., einer der ersten sog. virtuosen Kantoren, besaß eine vorzügl. geschulte Tenorstimme, die in einer Schallplattenaufnahme von 1902 (als wahrscheinl. die älteste derart überlieferte) erhalten ist. Als Komponist gehört S. zu denjenigen, die in Weiterführung der Reformbewegung der Synagogenmusik (Salomon Sulzer, Louis Lewandowski) moderne Kompositionsformen auf die traditionelle jüd. Melodik anwandten. Durch die vorzügl. Schulung seines Chores, mit dem er einzigartige „instrumentale“ Effekte erzielte, und die Anpassung seiner Vertonungen an den Text der Gebete trug er wesentl. zu dessen Sinnerfassung durch die einfache, ungeschulte Gmd. bei. Seine sechs Söhne waren alle Kantoren (in Ungarn, Lemberg und New York). S. starb am letzten Tag des Passahfestes bei der Ausübung seines Amtes.

W.: Shimshon Hagibor, 1890 (Oper); N’ginoth B. S.: Synagogen Gesänge für die hohen Feiertage, hrsg. von I. Schorr, 1906, 2. Aufl. 1928 (hebr.); Kommentare zum Pentateuch und zu Koheleth.
L.: Kurjer Lwowski, 9., 10. 4., Die Wahrheit, 15., 22., 29. 4., 13. 5. 1904; Dr. Bloch’s Oesterr. Ws. 21, 1904, S. 262, 269f.; Enc. Jud.; Kutsch–Riemens; Universal Jew. Enc.; Wininger; Lebensbilder berühmter Kantoren, hrsg. von A. Friedmann, 2, 1921, S. 79ff., 3, 1927, S. 14ff.; A. Holde, Jews in Music, (1959), s. Reg.; Studies in Jewish Music: Collected Writings of A. W. Binder, hrsg. von I. Heskes, (1971), s. Reg.; M. Nulman, Concise Enc. of Jewish Music, (1975) (mit Bild); E. Werner, A Voice Still Heard …, (1976), S. 54, 231; Th. Dombrowski, Synagogenmusik des 19. Jh. im Spiegel der „Allgemeinen Zeitung des Judenthums“, phil. Diss. Wien, 1987, S. 38, 65, 69, 87, 91, 106, 206, 272; ders., in: S. Sulzer – Kantor, Komponist, Reformer, 1991, S. 81f. (Kat.); A. Z. Idelsohn, Jewish Music, (1992), s. Reg.
(A. Harrandt – H. Reitterer)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 52, 1997), S. 141
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