Schrader Hans, Archäologe. Geb. Stolp, Preußen (Słupsk, Polen), 15. 2. 1869; gest. Berlin (Deutschland), 5. 11. 1948. Sohn eines Juristen; evang. AB. Künstler. begabt, wollte S. zunächst Bildhauer werden, entschloß sich aber auf dem Gymn. für die klass. Archäol. Er stud. zuerst in Marburg klass. Philol., Geschichte (bei Heinrich v. Sybel) und Kirchengeschichte, ab 1888 in Berlin Altertumswiss., wobei der Archäologe Reinhard Kekulé v. Stradonitz sein Verständnis für die griech. Plastik entscheidend förderte und so für seine weitere wiss. Richtung bestimmend wurde. Nach der Prom. zum Dr. phil. (1893, mit einer klass.-philolog. Arbeit) bereiste S. 1894–96 als Stipendist des Dt. Archäolog. Inst. weite Teile Griechenlands und Kleinasiens und wurde bald zur Bearb. der neuausgegrabenen Skulpturen von der Athener Akropolis herangezogen, ein Arbeitsgebiet, das ihn sein Leben lang beschäftigen sollte. Die Ausgrabungen in Priene, 1896–99, die er gem. mit seinem Stud.Freund Theodor Wiegand durchführte, brachten die fast restlose Freilegung der Stadt, wobei S. für die Publ. der Ergebnisse die Heiligtümer und die öff. Bauten übernahm. Hier lernte er auch seine spätere Frau (1901), die Bankierstochter Lotte v. Siemens, kennen. 1899–1901 Direktorialass. am Preuß. Antikenmus. in Berlin, wirkte er dann bis 1905 (neben Wilhelm Dörpfeld) als 2. Sekretär des Dt. Archäolog. Inst. in Athen. In die Berliner Zeit fallen seine grundlegenden Untersuchungen zum Telephosfries und zur Opferstätte des Großen Altars von Pergamon, dessen Rekonstruktion bis heute gültig geblieben ist. 1905 folgte S. einer Berufung als o. Prof. der klass. Archäol. an die Univ. Innsbruck, 1908 an die Univ. Graz (in beiden Stellen wurde Heberdey, s. d., sein Nachfolger). 1910–14 wirkte er in Wien als o. Prof. an der Univ. und als Dir. der Antikensmlg. (als Nachfolger R. v. Schneiders, s. d.). In diese Zeit fällt die rechtl. schwierige Übernahme des berühmten Goldfundes von Untersiebenbrunn durch die Antikensmlg. 1914 ging S. an die neugegründete Univ. Frankfurt a. Main, an der er das Inst. für Archäol. und die bedeutende, im Zweiten Weltkrieg allerdings fast vollständig zerstörte Gipsabgußsmlg. aufbaute. Mit deren Hilfe schrieb er sein Phidiasbuch, das allerdings nur wegen S.s meisterhafter Beschreibungen von Einzelwerken und seines Bildteils Anerkennung gefunden hat, wogegen kunsthist. Schwächen bereits von der zeitgenöss. Kritik aufgezeigt wurden. Von bleibendem Wert für die Phidias-Forschung ist jedoch seine Entdeckung, daß es sich bei den zu Beginn der 30er Jahre im Hafen von Piräus gehobenen Reliefs um Kopien der am Schild der Athena Parthenos dargestellten Amazonomachie handelt. Nach seiner Emer. 1930 lebte S., weiterhin wiss. tätig, in Reinsdorf/Mark auf dem Gut seiner Frau. Nach Kriegsende mußte er nach Berlin fliehen.