Schreibers, Joseph Ludwig von (1793-1874), Agrarfachmann und Jurist

Schreibers Joseph Ludwig von, Landwirtschaftsfachmann und Jurist. Geb. Wien, 9. 9. 1793; gest. Oberdöbling, NÖ (Wien), 15. 2. 1874. Sohn des Militärbeamten Franz Xav. S., zuletzt Registrator und Expeditsdir. beim Hofkriegsrat in Wien, Bruder des Folgenden, Cousin des J. F. Frh. v. Jacquin, Großvater des Ernst Fuchs, Urgroßvater der Gattin des Mathematikers Lothar Schrutka v. Rechtenstamm (alle s. d.). Absolv. nach Besuch des Gymn. der Univ. Wien 1807–10 die phil. Jgg. und stud. 1810–14 Jus. Anschließend Landesadvokat in Schrattenthal (NÖ), kam er 1848 als prov. Sektionsrat in das neu geschaffene Min. für Landeskultur und Bergwesen, wurde aber schon 1850 vom Dienst enthoben. 1814 Eleve P. Jordans (s. d.) auf den k. Patrimonialgütern Vösendorf, galt S.’ Interesse stets der Landwirtschaft. So gehörte er schon ab 1817 als w. Mitgl. der Landwirtschaftsges. in Wien an, 1830–32 sowie 1838–52 deren Zentralausschuß, fungierte 1835–37 als Delegat des Bez. Korneuburg und vertrat häufig die Ges., v. a. bei den Versmlgg. der Land- und Forstwirte in Graz, München, Breslau (Wrocław) sowie Kiel. Während seiner Tätigkeit im Min. bes. um das landwirtschaftl. Unterrichtswesen bemüht, hatte er wesentl. Anteil an der Gründung der landwirtschaftl. Lehranstalt in Ung. Altenburg (Magyaróvár) sowie der ersten Ackerbauschulenin NÖ, u. a. 1849 in Kritzendorf (Klosterneuburg), 1850 nach Neuaigen (Tulln) verlegt, und Großau (Raabs). Daneben betätigte er sich auch wiss. mit Fragen dieser Disziplin und veröff. außer zahlreichen Abhh. in Fachz. eine umfassende, mit einer Goldenen Medaille ausgez. Arbeit über die Milchwirtschaft in großen Städten sowie zum 50-Jahr-Jubiläum der Landwirtschaftsges. eine ausführl. Geschichte dieser Institution. Große Verdienste erwarb er sich ferner um die im Interesse derselben agierende Privilegierte Wechselseitige Brandschadenversicherung, der er lange als Dion.Mitgl. angehörte und als deren Kassadir. er schließl. bis 1874 wirkte. Prakt. betätigte er sich längere Zeit als Besitzer der Herrschaft Oberhollabrunn (Hollabrunn, NÖ), ab 1841 des sog. Edelhofs (Fürstenzellerhofs) in Kritzendorf, auf dem er seine letzte Ruhestätte fand. Auch soll er die ersten Reben der „Kritzendorfer Johannisbeere“ gepflanzt haben. Polit. engagiert, gehörte er 1848 als Abg. der Liberalen Partei dem nö. Landtag an. Gem. mit seinem kinderlosen Onkel Joseph Ludwig v. S. und seinem Bruder 1808 nob., wurde er später selbst vielfach ausgez., war Ehrenmitgl. mehrerer in- wie ausländ. landwirtschaftl. Ver. und erhielt seitens der Landwirtschaftsges. deren höchste Ausz., die Goldene Ges.Medaille, verliehen. Bes. Verdienste erwarb er sich durch die Übers. des durch die Landwirtschaftsges. übernommenen „Code of Agriculture“ von John Sinclair sowie durch sein Bemühen um eine grundlegende, zeitgemäße und 1850 zur Neufassung der Statuten dieser Ges. führende Reorganisation, durch die er deren Fortbestand sicherte.

W.: Die Milchwirthschaft inner den Linien der Stadt Wien, in: Oekonom. Neuigkeiten und Verhh. 71, 1846; Die Landwirthschaft mit einem intensiven Betriebe, ebenda, 72, 1846; Anleitung zum Anbau von Cerealien ohne Fruchtwechsel und ohne Brache, in: Nö. landwirthschaftl. Wochenbl., 1846; Arbeiterlöhnung, in: Oekonom. Neuigkeiten und Verhh. 73, 1847; Die Milchwirthschaft im Innern großer Städte und deren nächster Umgebung …, 1847; Darstellung der Gründung und Entwicklung der k. k. Landwirthschafts-Ges. in Wien …, 1857; usw. Übers.: Sir J. Sinclair, Grundgesetze des Ackerbaues, nebst Bemerkungen über Gartenbau, Obstbaumzucht, Forstcultur und Holzpflanzung, 1819; usw.
L.: N. Fr. Pr., 3. 3. 1874; Graeffer–Czikann; Wurzbach; Oekonom. Neuigkeiten und Verhh. 74, 1847, S. 728; Verhh. und Mitth. der k. k. Landwirthschafts-Ges. in Wien, 17. 2. 1874; Wr. landwirthschaftl. Ztg. 14, 1874, S. 74; G. Schneider, Die k. k. Landwirthschaftsges. in Wien im Vormärz 1808–50, phil. Diss. Wien, 1982, bes. S. 121f.; W. Hager – R. Hofbauer, in: Klosterneuburg 2, 1993, S. 51, 53, 70, 85; M. Habacher, in: Jb. des Ver. für Geschichte der Stadt Wien 50, 1994, S. 161; Mitt. Raimund Hofbauer, Klosterneuburg-Kritzendorf, NÖ.
(K. Ehrendorfer)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 52, 1997), S. 198f.
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