Schreker (Schrecker) Franz, Komponist und Musikpädagoge. Geb. Monaco (Monaco), 23. 3. 1878; gest. Berlin (Deutschland), 21. 3. 1934. Sohn des Ignaz Franz Schrecker (s. d.) und der Eleonore, geb. v. Clossmann (1854 bis 1918), Halbbruder des Maximilian Schrecker (s. u. Ignaz Franz Schrecker). Die Familie lebte in den ersten Lebensjahren S.s in Monaco, Cilli (Celje) und Pola (Pula), schließl. ab 1881 in Linz. Nach dem frühen Tod des Vaters übersiedelte die Mutter 1888 nach Wien, wo sie von Näharbeiten, später von einer Gemischtwarenhandlung lebte. S., der schon früh Musikunterricht erhalten hatte, konnte trotz der Notlage ab 1889 an der privaten Musikschule von Julius Böhm Violine und Orgel, dann 1892–1900 am Konservatorium der Ges. der Musikfreunde Violine bei Bachrich und Rosé sowie Musiktheorie und Komposition bei Graedener und Fuchs (alle s. d.) stud. Daneben war er ab 1892 Organist der Döblinger Pfarrkirche, leitete den von ihm 1895 gegründeten Ver. der Musikfreunde in Döbling und war im Rahmen des Döblinger Männergesangsver. künstler. tätig (beides bis 1899). 1896 wurde erstmals ein Werk von ihm, die verlorene „Love Story“ für Harfe und Orchester, durch das Budapester Opernorchester in London öff. aufgef. Nach dem Abschluß seines Stud. übte er Erwerbstätigkeiten aus, als Musiker, Privatmusiklehrer und auch als Kontorist (1905–07). 1907/08 war er Kapellmeister an der Wr. Volksoper (für Einstudierungen). Nach vereinzelten Auff. verschiedener Werke gelang S. 1908 ein erster größerer Erfolg mit der Pantomime „Der Geburtstag der Infantin“ für Grete Wiesenthal, für die er auch weitere Pantomimen schrieb. 1907/08 wurde er Dirigent des aus der „Chorakademie“ hervorgegangenen „Philharmonischen Chores“, mit dem er u. a. 1913 Schönbergs „Gurrelieder“ zur Urauff. brachte. Seinen Durchbruch als Komponist schaffte er mit der größtenteils 1901–03 komponierten, dann aber aufgrund von ablehnenden Urteilen liegengelassenen Oper „Der ferne Klang“. Die erfolgreiche Auff. eines Zwischenspiels aus dem 3. Akt, „Nachtstück“, unter Nedbal (s. d.) bewog S. zur Vollendung des Werkes. Ein Klavierauszug, den zumindest tw. Alban Berg (s. d.) herstellte (was in dessen Schaffen Niederschlag fand), wurde von der Universal Edition veröff. Eine Auff. in Wien zerschlug sich. Der Erfolg der Urauff. in Frankfurt a. Main 1912 stellte S. in die erste Reihe der zeitgenöss. Opernkomponisten. Zwar verursachte die Auff. von „Das Spielwerk und die Prinzessin“ an der Wr. Hofoper 1913 einen Skandal (auch in Frankfurt konnte das Werk nicht reüssieren), doch festigten die nachfolgenden Werke, „Die Gezeichneten“ (1918) und „Der Schatzgräber“ (1920, beide in Frankfurt uraufgef.), sowie das Eintreten des bedeutenden Kritikers Paul Bekker für S. dessen Ruhm als eines der führenden Opernkomponisten seiner Zeit. An diesen Höhepunkt konnten die folgenden Werke nicht mehr ebenbürtig anknüpfen. Inzwischen hatte S. auch die pädagog. Laufbahn ergriffen. 1912 wurde er Lehrer für Komposition an der Wr. Akad. für Musik und darstellende Kunst, 1920 Dir. der Berliner Musikhochschule. Von dieser Stelle trat er 1932 unter dem Druck der Nationalsozialisten zurück und übernahm eine Meisterkl. für Komposition an der Preuß. Akad. der schönen Künste, wurde aber 1933 aufgrund seiner jüd. Abstammung zwangspensioniert. Die Nationalsozialisten hatten die Auff. seiner Oper „Christophorus“ zu Fall gebracht und die seines letzten bühnendramat. Werkes, „Der Schmied von Gent“, zum Skandal gemacht. Die mit diesen Erlebnissen verbundenen Aufregungen dürften auslösend für den Schlaganfall geworden sein, an welchem er starb. S. war seit 1909 mit der Sängerin Maria Binder (1892–1978) verheiratet, die ihm 1910 die Tochter Haidy (gest. 1993) und 1914 den Sohn Imanuel (gest. 1971) gebar. Einer der führenden und erfolgreichsten Opernkomponisten seiner Zeit, gehörte S. zu jenen Komponisten, die den Schritt zur Abwendung von den bis dahin gültigen Gesetzmäßigkeiten der Musik nicht vollzogen, die Grenzen der tonalen Musik aber bis aufs äußerste auszuschöpfen suchten, wobei sie durchaus auch ins Grenzgebiet der „Atonalität“ gerieten. Ebenso hat S. den Singstimmen und Instrumenten die äußersten Möglichkeiten an sinnl. Klangreiz abzugewinnen gesucht. Seine Opern verbindet die unauflösl. Einheit von Wort, Musik und Darstellung mit denen Wagners. Diese Einheit entspricht jedoch bei ihm keiner theoret. Konzeption: von einer solchen meinte S. selbst, er habe „eigentlich keine“: „Geheimnisvoll-Seelisches ringt nach musikalischem Ausdruck. Um dieses rankt sich eine äußere Handlung, die unwillkürlich schon in ihrer Entstehung musikalische Form und Gliederung in sich trägt“. Dem entspricht die hochgesteigerte Sinnlichkeit der Texte, die S. mit Ausnahme des ersten („Flammen“) alle selbst geschrieben hat, deren Gestalten übersensibel, emotional, irrational, triebhaft auf die ihnen begegnenden Verhängnisse reagieren, in denen sich gegenüber der ekstat. romant. die naturalist. Seite repräsentiert. Analog diesem Kontrast liegt allem klangl. und harmon. Überschwang solide Handwerklichkeit zugrunde, die in den späteren Werken in der Rückkehr zu einfacherer Tonalität und einfacheren Formen immer stärker hervortritt. Gegenüber den Opern stehen die übrigen Werke in S.s Schaffen zurück, wenngleich auch auf die Bedeutung insbes. der Lieder und der Instrumentalwerke verwiesen wird. Große Bedeutung kommt auch dem pädagog. Wirken S.s zu, was die Namen zahlreicher prominenter Schüler, unter ihnen Max Brand, Alois Hába, Jascha Horenstein, Egon Kornauth, Ernst Krenek, Felix Petyrek, Paul Amadeus Pisk, Franz Salmhofer, Hans Schmidt-Isserstedt und Grete v. Zieritz, unter Beweis stellen.