Schrutka von Rechtenstamm, Emil (1852-1918), Jurist

Schrutka von Rechtenstamm Emil, Jurist. Geb. Brünn, Mähren (Brno, Tschechien), 1. 6. 1852; gest. Molln (OÖ), 4. 1. 1918. Sohn des Ignaz (v.) S. (s. u.), Vater des Lothar S. v. R., Gatte der Marianne S. Edle v. R. (s. d.). S. absolv. das Gymn. in Znaim (Znojmo) und stud. 1870–74 an den Univ. Wien bzw. Graz (1 Semester), dann an der Univ. Straßburg Jus. 1876 Dr. jur. an der Univ. Wien, trat er in den Gerichtsdienst ein, legte 1877 die Richteramtsprüfung ab und wurde 1879 zum Adjunkten des Bez.Gerichts Währing (Wien) ernannt. Im selben Jahr habil. sich S. an der Univ. Wien für österr. Zivilprozeßrecht und wurde als ao. Prof. des österr. zivilgerichtl. Verfahrens an die Univ. in Czernowitz (Černivci) berufen; 1884 erfolgte die Erweiterung seiner Lehrbefugnis auf röm. Recht. 1885 kehrte er als Nachfolger Heysslers (s. d.) an die Univ. Wien zurück und lehrte an dieser, 1886 o. Prof., bis zu seinem Tod das gesamte zivilgerichtl. Verfahren, im Rahmen seiner zweiten Venia röm. Zivilprozeß und besondere Tle. des Pandektenrechts (Familien- und Erbrecht). Bereits in Czernowitz 1881–84 Mitgl. des akadem. Senats, übte er diese Funktion auch mehrmals an der Univ. Wien aus, war 1890/91 und 1905/06 Dekan, 1900/01 Rektor. In seiner vielbeachteten Inaugurationsrede setzte er sich für die Gewährleistung der Freiheit der persönl. Stellung des Richters und seiner wiss. Überzeugung ein. S.s Hauptwerk, „Zur Dogmengeschichte und Dogmatik der Freigebung fremder Sachen …“, in dem seine Neigung zur Rechtsgeschichte und zu entwicklungsgeschichtlichen Begründungen deutl. zum Ausdruck kommt, fand im wesentl. die Zustimmung der Fachwelt, die seinen Wert für die prakt. Rechtsanwendung ebenso wie für die Wiss. anerkannte. An seinem „Grundriss des Civilprocessrechts“ wurde die für den Praktiker wertvolle Vollständigkeit und die bes. den Bedürfnissen der Studierenden entgegenkommende leichtverständl. Darstellung hervorgehoben, allerdings auch die z. Tl. überholte Terminol. und die nicht ausreichende Behandlung von Problemen der jüngeren Zeit bemängelt. S. war 1899/1900 als Virilist Mitgl. des nö. Landtags. 1898 wurde er mit dem Orden der Eisernen Krone III. Kl., 1905 mit dem Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens ausgez. Sein Vater, Ignaz (v.) S. (geb. Mähr. Kromau, Mähren/Moravský Krumlov, Tschechien, 21. 7. 1802; gest. Znaim, Mähren/Znojmo, Tschechien, 8. 2. 1869), trat 1823 bei der Kammerprokuratur in Brünn in den Staatsdienst ein, wurde 1840 Kriminalrat in Brünn (in welcher Funktion er sich 1848 anläßl. einer Sträflingsrevolte auszeichnete), 1850 OLGR, 1855 Präs. des Kr.Gerichts in Ung.-Hradisch (Uherské Hradiště), 1861 in Znaim, 1866 i. R. und nob.; die Ausfertigung des Dekrets (mit dem Ehrenwort „Edle von“) für seine Witwe Maria, geb. Klinger, die Tochter Maria Anna und die Söhne Karl und Emil erfolgte jedoch erst 1871.

W.: Zeugnispflicht und Zeugniszwang im österr. Civilprocesse, 1879; Die Compensation im Concurse nach österr. Rechte und mit Berücksichtigung concursrechtl. Normen des Dt. Reichs, 1881; Prakt. Fragen des österr. civilgerichtl. Verfahrens, 1884; Zur Dogmengeschichte und Dogmatik der Freigebung fremder Sachen im Zwangsvollstreckungsverfahren, 2 Tle., 1889–93; Die neue österr. Civilprozessgebung. Text-Ausg., 1896, 2. Aufl., hrsg. von J. Eckstein, 2 Bde., 1898; Die Richtigkeit der Forderungen als Voraussetzung der Compensation, 1900; Ueber die Stellung des oesterr. Richters, in: N. Fr. Pr., 15. 10. 1900 (Rektoratsrede); Grundriss des Civilprocessrechts (= Grundriss des österr. Rechts in systemat. Bearb. 2,1,1,2), 1909; zahlreiche Beitrr. und Aufsätze in Ztg. und Fachz.; usw.
L.: N. Fr. Pr., 27., 28. 4. 1910, 5. 1. 1918; Wr. Ztg. (Abendausg.), NWT, 5. 1. 1918; Die Fackel, s. Reg.; Inauguration Univ. Wien 1918/19, 1918, S. 29ff.; A. Norst, Alma mater Francisco-Josephina, 1900, S. 56; Allg. österr. Gerichts-Ztg. 69, 1918, S. 17ff.; Z. für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit in Österr. 60, 1918, S. 36ff.; Alma Mater Francisco Josephina, hrsg. von R. Wagner, 1979, s. Reg.; M. Schulcz, Der nö. Landtag in der VIII. Wahlperiode von 1896 bis 1902, phil. Diss. Wien, 1980, S. 81; AVA, UA, beide Wien.
(H. Reitterer)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 53, 1998), S. 265f.
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