Schustala, Ignaz d. Ä. (1822-1891), Industrieller

Schustala Ignaz d. Ä., Industrieller. Geb. Nesselsdorf, Mähren (Kopřivnice, Tschechien), 6. 12. 1822; gest. Wien, 29. 1. 1891. Vater von Johann S. (geb. 10. 2. 1854; gest. 10. 6. 1899) und Josef S. (geb. 28. 1. 1858; gest. 28. 1. 1940) sowie von Adolf S. (s. u.) und Ignaz S. d. J. (s. d.). S., der einer Bauernfamilie entstammte, war früh verwaist. Er erlernte in Koloredow bei Mistek (Místek) das Sattler-, Wagner- und Lackiererhandwerk, begab sich 1841 auf die Wanderschaft und arbeitete in verschiedenen Werkstätten, insbes. 1844–50 beim Hofsattler Philipp Koller in Wien. Nach Nesselsdorf zurückgekehrt, richtete er 1850 Werkstätten für die Herstellung von Pferdewagen ein und gründete zur Vergrößerung seines Betriebs 1853 gem. mit dem Nesselsdorfer Steingutfabrikanten Adolf Raschka d. Ä. die Fa. „Schustala & Comp.“, wobei Raschka die kaufmänn. Agenden übernahm. Im Bestreben, sich von Zulieferern unabhängig zu machen, ließ S. zur Ausbildung Ortsansässiger u. a. Facharbeiter aus Wien nach Nesselsdorf kommen. Ab 1854 wurde eine Dampfmaschine eingesetzt und das Unternehmen sukzessive zum Ind.Betrieb erweitert. Zur Sicherung von Rohstoffen und Absatzmärkten reiste S. nach Galizien und Rußland; dort setzte er bes. die von ihm verbesserte „Neutitscheinka“, eine leichte Kutsche, ab. Außerdem wurden halb und ganz gedeckte Luxuswagen erzeugt, so auch schwere Reisewagen für Rußland mit Schlafgelegenheit und einer Art Buffet, wofür S. das stabile „Herkulesgestell“ entwickelte. Er erschloß für das expandierende Unternehmen, dessen Produkte sich durch Gediegenheit und Formschönheit auszeichneten, immer größere Absatzgebiete, sodaß Filialen und Niederlagen in Wien, Prag und Berlin, aber auch in verschiedenen Städten Galiziens, Rußlands und Preußens errichtet und S. sowie Raschka zu preuß. Hofwagenfabrikanten ernannt wurden. 1871/72 wurde der Betrieb derart erweitert, daß jährl. 1.200 Straßenfuhrwerke hergestellt werden konnten, darunter Postwagen für Böhmen, Mähren, österr. Schlesien und die Bukowina. In der zweiten Hälfte der 70er Jahre geriet die Fa. mit dem Tod Raschkas vorübergehend in finanzielle Schwierigkeiten. Als jedoch Nesselsdorf 1881 einen Bahnanschluß erhielt, versuchte sich S. auch im Waggonbau und konnte 1882 bereits 15 offene Güterwaggons liefern, später wurden auch Personenwaggons für Eisenbahn und Straßenbahn produziert. Die Fa. erhielt zudem auch ein Patent für Möbelwagen, die – ohne Umladen – sowohl für den Straßen- als auch für den Bahntransport geeignet waren. Zur Überwachung der Aufträge wurde der ehemalige Ing. der K. Ferdinands-Nordbahn Hugo Fischer v. Röslerstamm (geb. 20. 8. 1856; gest. Steyr, OÖ, 3. 6. 1917) berufen, der 1890 als Dir. in die Fa. eintrat. Auch die Söhne des Firmengründers arbeiteten inzwischen im Unternehmen: Während Adolf S. (geb. 3. 5. 1855; gest. 5. 10. 1921) die Gesamtleitung in Nesselsdorf innehatte, stand Johann S. der Prager Niederlage vor; Josef S. leitete die Finanzen und Ignaz S. d. J. den Equipagenbau. Um den Kapitalmangel der expandierenden Waggonfabrik zu beheben, wandelte S. das Familienunternehmen 1890 in eine AG um, starb jedoch bald darauf. Adolf S. und Fischer v. Röslerstamm standen als Dir. der AG vor. Da letzterer als Vertreter der familienfremden Aktienmehrheit auf rascheren Ausbau des Unternehmens auch unter Inkaufnahme sozialer Härten für die Arbeiter drängte, verkaufte Adolf S., gefolgt von seinen Brüdern, 1895 seinen Aktienanteil. Zwei Jahre später wurde auf Betreiben Fischer v. Röslerstamms erstmals ein Automobil gebaut, 1923 gingen aus der Nesselsdorfer Automobilfabrik die „Tatra-Werke“ hervor. Adolf S. beteiligte sich 1901 an der Gründung der „Staudinger Waggonfabrik“ in Botenwald (Studénka), deren Vizepräs. und leitender Verwaltungsrat er wurde.

L.: Dt. Volksztg. für den Neutitscheiner Kr., 29. 9. 1891; Illustrirtes Fest-Album des Fabriks-Jubiläums der Fa. Schustala & Comp. zu Nesselsdorf in Mähren, red. von F. E. Krönes, 1873 (mit Bild); H. Heller, Mährens Männer der Gegenwart 4, 1890, S. 143, 177; G(ertrud) S(chustala), in: Das Kuhländchen, Geschichts- und Kulturbilder aus alter und neuer Zeit 10, 1929, S. 161ff. (mit Bild); H. Seper, in: Bll. für Technikgeschichte, H. 23, 1961, S. 39ff. (mit Bild); R. Hemmerle, Sudetenland-Lex., 1990; WStLA, Wien. – Adolf S.: N. Fr. Pr., 8. 10. 1921; Compass 48, 1915, Bd. 3.
(J. Mentschl)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 54, 1999), S. 382f.
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