Sedlnitzky-Odrowąz von Choltitz, Leopold Gf. (1787-1871), Fürstbischof

Sedlnitzky-Odrowąz von Choltitz Leopold Gf., Fürstbischof. Geb. Geppersdorf, Schlesien (Linhartovy, Tschechien), 29. 7. 1787; gest. Berlin, Preußen (Dtld.), 25. 3. 1871. Sohn von Josef und von Maria Josepha, geb. Gfn. Haugwitz, Bruder von Anton und von Joseph S.-O. v. C. (s. d.). Auf seinem väterl. Stammschloß im Geist der kath. Aufklärung erzogen, wurde S. für die geistl. Laufbahn bestimmt und erhielt schon bald die Anwartschaft auf ein Kanonikat am Dom von Breslau (Wrocław), 1802 ein Kanonikat in Neisse. Während seines Theol.-und Phil.Stud. an der Univ. in Breslau (ab 1804) fühlte er sich von den Schriften Johann Michael Sailers angezogen, der mit seinem Eintreten für eine Einigung der Konfessionen auf bibl. Grundlage S. auf den Interkonfessionalismus aufmerksam machte. S. trat der von Sailer gegründeten Bibelges. bei, die Papst Leo XII. 1824 aber generell verbot. Eine Lungenkrankheit machte ihn für die ursprüngl. geplante Seelsorgetätigkeit auf dem Land und für eine akadem. Laufbahn unfähig, sodaß S. nach seiner Priesterweihe (1811) in den Dienst der bischöfl. Verwaltung Breslaus trat. Starke Förderung für seine kirchl. Karriere ließ ihm die preuß. Regierung zuteil werden. Der Oberpräs. Schlesiens, Theodor v. Merckel, rief ihn 1817 als Konsistorialrat in die oberste Schulbehörde. Der Ernennung zum Domkapitular in Breslau 1819 folgte 1830 durch kgl. Präsentation jene zum Dompropst. Nach dem Tod des Fürstbischofs Schimonsky-Schimony (s. d.) wurde S. 1832 vom Domkapitel zum Kapitularvikar von Breslau gewählt. Kg. Friedrich Wilhelm III. setzte seinen Wunschkandidaten S. für den Breslauer Bischofsstuhl durch, obwohl die röm. Kurie dagegen schwere Bedenken erhob. 1835 vom Domkapitel einstimmig zum Fürstbischof gewählt, wurde S. am 11. 7. 1836 von Papst Gregor XVI. bestätigt und empfing am 18. 9. in Breslau die Weihe. Die Theol. Fak. hatte ihn zuvor zum Dr. theol. h. c. prom. S. visitierte als Fürstbischof eifrig die beiden Bistumsanteile in Preußen und österr. Schlesien, was die Bevölkerung begeistert aufnahm, da diese teils seit Generationen keinen Bischofsbesuch mehr erlebt hatte. Mit einer finanziellen Besserstellung des Alumnates trug S. zur notwendigen Hebung der Priesterausbildung bei, sanierte den längst reformbedürftigen Verwaltungsapparat des österr. Bistumsanteiles und unterstützte mit den Einkünften soziale Werke. War S. von streng kirchl. Kreisen als junger Priester und Theologe wegen seiner konfessionellen Offenheit schon stets beargwöhnt, so kulminierte der Konflikt mit Rom zwangsläufig wegen seiner regierungstreuen, passiven Haltung in der sogenannten Mischehenfrage. Der konfliktscheue S. setzte die strengen päpstl. Bestimmungen, wonach die kath. Kindererziehung zur Vorbedingung bei Schließung einer gemischtkonfessionellen Ehe gemacht wurde, in seiner Diözese nicht um. Der Aufforderung Papst Gregors XVI. vom Mai 1840 zur freiwilligen Resignation von S. war bereits Anfang 1839 eine scharfe päpstl. Rüge vorausgegangen. S. verzichtete kampflos im Juli 1840 auf alle Einkünfte seiner bischöfl. Stellung und wirkte seitdem als Mitgl. des Staatsrates in Berlin, wo er sich immer mehr von der kath. Kirche entfernte und zur evang. Diakonie und Spiritualität hingezogen fühlte. 1863 setzte er mit dem offiziellen Übertritt zum Protestantismus einen für einen kath. Bischof der damaligen Zeit außergewöhnl. Schritt. Sich jeder Polemik enthaltend, blieb S. der kath. Kirche verbunden und verfolgte deren Entwicklung krit.-aufmerksam. In den letzten Lebensjahren förderte er finanziell bes. die Bildungsanstalten für die evang. Geistlichkeit und soziale Werke, die er nach seinem Tod mit seinem Vermögen bedachte. Er starb an den Folgen eines Gehirnschlages und wurde in der Kapelle des evang. Friedhofes zu Rankau (Ręków) beigesetzt.

W.: Selbstbiographie des Gf. L. S. v. Choltitz ... nach seinem Tode aus seinen Papieren hrsg. mit Aktenstücken, 1872.
L.: ADB; Gatz, Bischöfe; LThK, 2. Aufl.; Wurzbach; Realenc. für protestant. Theol. und Kirche 18, 3. Aufl.1906; F. Wiegand, Fürstbischof Gf. L. v. S., 1925; Die Religion in Geschichte und Gegenwart 5, 1931; E. Sobotta, in: Jb. des Ver. für schles. Kirchengeschichte 25, 1936, S. 147ff.; J. Gottschalk, in: Archiv für schles. Kirchengeschichte 2, 1937, S. 185ff.; ders., ebenda, 5, 1940, S. 206ff.; K. Müller, in: Jb. für schles. Kirche und Kirchengeschichte, NF 38, 1959, S. 129ff.; R. Lill, Die Beilegung der Kölner Wirren, 1962, S. 64ff., 102ff.; J. Negwer, Geschichte des Breslauer Domkapitels im Rahmen der Diözesangeschichte ..., hrsg. von K. Engelbert, 1964, S. 51ff.; R. Lill, in: Hdb. der Kirchengeschichte, hrsg. von H. Jedin, 6/1, 1971, S. 392ff.; H. Jedin, in: Archiv für schles. Kirchengeschichte 29, 1971, S. 173ff.; A. Jongen, in: Jb. für schles. Kirchengeschichte, NF 50, 1971, S. 125ff.; W. Marschall, Geschichte des Bistums Breslau, 1981; H. Lothar, in: Schles. Lebensbilder 4, 2. Aufl. 1985, S. 339ff.; Biograph.-Bibliograph. Kirchenlex. 9, hrsg. von F. W. Bautz und T. Bautz, 1995; Ostdt. Gedenktage 1996, (1995), S. 73ff.
(M. Kronthaler)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 55, 2001), S. 94f.
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