Seidl, Franz; genannt Papa Seidl (1836-1903), Kaffeehausbesitzer, Organisator und Philanthrop

Seidl Franz, genannt Papa Seidl, Kaffeehausbesitzer, Organisator und Philanthrop. Geb. Neulerchenfeld, NÖ (Wien), 10. 10. 1836; gest. Wien, 3. 11. 1903; röm.-kath. Sohn eines Wirtes. S., der von Haus aus über erhebl. Mittel verfügte, eröffnete im damaligen Wr. Vorort Neulerchenfeld ein neues, modernes Kaffeehaus, das sich bald großer Beliebtheit erfreute. Er engagierte sich im Gmd.leben von Neulerchenfeld vor dessen Eingemeindung 1892 nach Wien einerseits als Mitgl. der Gmd.vertretung, in der er freiheitl. Prinzipien vertrat, v. a. aber als Mitbegründer (1869) und erster Hptm. der Neulerchenfelder Freiwilligen Feuerwehr, die lange Zeit den Ruf der besten Vorortefeuerwehr genoß. Äußerst unternehmend und umtriebig im Organisieren von Festlichkeiten, hatte er sogar bei der Weltausst. in Chicago, 1893, mit einer Wr. Buschenschank mit Volkssängern, Jodlern, Kunstpfeifern etc. großen Erfolg, verlor den dort erworbenen beträchtl. Gewinn jedoch bei der Winterausst. in San Francisco im selben Jahr wieder. In erster Linie allerdings nutzte S. sein Organisationstalent und seinen Bekanntheitsgrad für wohltätige Zwecke, für die er – u. a. durch äußerst populäre Veranstaltungen, wie etwa die „Lumpenbälle“ (erstmals 1882) – große Summen aufbrachte. Neben der Gründung einer Ferienkolonie für die Neulerchenfelder Kinder, als deren Obmann er fungierte, waren es v. a. die Anliegen der Sehbehinderten, derer er sich annahm, sei es durch die Schaffung einer Ausspeisung für blinde Kinder, einer Blindenkl. an der Neulerchenfelder Schule oder die Gründung eines Krankenver. für Blinde, des sog. „Lindenbunds“, dessen Ehrenpräs. S. war. Aus Krankheitsgründen mußte S. etwa zwei Jahre vor seinem Tod sein Kaffeehaus aufgeben, engagierte sich aber bis zuletzt, unterstützt von seiner zweiten Frau, Rosa S., verwitwete Hauer (1853–1905), für seine sozialpolit. Projekte.

L.: Illustrirtes Wr. Extrabl., 3. (Abendausg., mit Bild), 4., 6., NWT, 3. (Abendausg.), Neues Wr. Journal, 4. 11. 1903; F. Czeike, XVI. Ottakring (= Wr. Bez.kulturführer 16), (1981), S. 40f.; K. Ziak, Von der Schmelz auf den Gallitzinberg, 3. Aufl. 1987, S. 23f.; röm.-kath. Pfarramt Neulerchenfeld, Wien.
(E. Lebensaft – Ch. Mentschl)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 56, 2002), S. 122
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