Seidmann, Karl (1882-1949), Beamter

Seidmann Karl, Beamter. Geb. Jurkoutz/Jurkiwci, Bukowina (Jurkivci, Ukraine), 15. 4. 1882; gest. Wien, 2. 12. 1949; mos., 1947 aus der IKG Wien ausgetreten. Nach Absolv. des Gymn. in Czernowitz (Černivci) stud. S. vermutl. an der dortigen Univ. Jus und Nationalökonomie und schloß mit dem jurid. Doktorat ab. Er trat 1905 als Konzeptspraktikant der Landesregierung in Czernowitz in den österr. Staatsdienst, wurde 1907 Konzipist, 1910 Polizeikoär. bei der Bez.hauptmannschaft Kotzman (Kicman’), 1913 Bez.koär., 1915 Leiter der Bez.hauptmannschaft Czernowitz, 1916 dem Amt der Volksernährung in Wien zugeteilt, 1921 Sektionsrat. Zuletzt hatte S.bis zu seiner Beurlaubung 1921 die Stelle eines Abt.leiters in der Auslandssektion des Staatsamts für Ernährung inne; 1923 schied er aus dem Staatsdienst aus. Er war dann in der Privatwirtschaft tätig, u. a. als Dir. des Import–Exportunternehmens Artmann & Co. AG und als Mitgl. und Geschäftsführer der Innerstädt. Kreditges. GmbH in Wien; Mitte der 20er Jahre führte er gem. mit seinem Bruder, Dr. Max. S., in Wien eine eigene Fa. für mechan. Strick- und Wirkwarenerzeugung, Dr. Seidmann & Co. Nach dem „Anschluß“ flüchtete er im März 1938 in die Schweiz (sein Bruder hatte Wien schon früher verlassen) und von dort 1939 nach Palästina, wo er sich 1943–46 im Dienst der brit. Behörden befand. 1942 scheint der monarchist. Kreisen nahestehende S. als Repräsentant des Austria Office in Tel Aviv auf, das er in eine Delegation umzuwandeln versuchte. Bald nach Kriegsende befaßte er sich mit den Problemen österr. Palästina-Exilanten, ab 1946 fungierte er als erster, v. a. wegen seiner legitimist. Gesinnung allerdings keineswegs unumstrittener, Vertrauensmann der österr. Bundesregierung in Tel Aviv, dem im wesentl. die Aufgabe zukam, Paß- und Visumanträge entgegenzunehmen. Dabei geriet S.jedoch zunehmend ins Zwielicht, da manihm neben anderen Unregelmäßigkeiten überhöhte Gebührenvorschreibungen für die Anträge vorwarf. 1947 kehrte er unter nicht restlos geklärten Umständen über die Schweiz nach Österr. zurück, wobei er seinem Bruder Max, der als Leiter einer Textilfa. und Dir. der Austro-Middle-East Trading Co. wirkte, die Agenden des österr. Vertrauensmannes in Palästina überließ. Trotz seines Alters und der gegen ihn bestehenden Vorbehalte wurde S. auf sein Ansuchen als Beamter im Bundesmin. für Volksernährung reaktiviert, Anfang 1948 Min.rat, im Oktober des selben Jahres jedoch seines Amts enthoben.

L.: Österr. Ztg., 14. 1. 1949; H. Embacher – M. Reiter, Gratwanderungen, 1998, S. 57; R. Agstner, Österreichs Vertretungsbehörden in Palästina und Israel, 1999, S. 59; AdR, DÖW, IKG, MA 61, alle Wien; Mitt. Evelyn Adunka, Rudolf Agstner und Rudolf Jeřabek, alle Wien, Erich Beck, Rickenbach-Hütten, Dtld.
(E. Lebensaft – Ch. Mentschl)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 56, 2002), S. 133
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