Selinger, Engelbert Maximilian; Ps. Dr. Wilhelm Marchland (1802-1862), Beamter, Jurist und Schriftsteller

Selinger Engelbert Maximilian, Ps. Dr. Wilhelm Marchland, Beamter, Jurist und Schriftsteller. Geb. Sternberg, Mähren (Šternberk, Tschechien), 13. 10. 1802; gest. Wien, 8. 7. 1862. Sohn eines Kleinhändlers. S. stud. nach Besuch des Gymn. von Kremsier (Kroměříž) Phil. und Jus in Olmütz (Olomouc) und an der Univ. Wien bis 1825; 1827 Dr. jur. der Univ. Innsbruck. Nach Reisen durch die nördl. Schweiz, Dtld. und Italien, über die er später in Kurzprosa publ., begann er als Advokat in Olmütz, kehrte jedoch nach Wien zurück, um 1829 prov., 1833 def. und ab 1836 als wirkl. Prof. der jurid.-polit. Wiss. an der Oriental. Akad. tätig zu sein; zusätzl. wirkte S. ab 1830 ohne eigenes Anstellungsdekret als Supplent an der Lehrkanzel für Statistik und als Lehramts-Adjunkt der jurid. Fak. der Univ. Wien und war bis 1848 Zensor. 1848/49 gehörte er im Reichstag dem Zentrum an. Für sein regierungstreues Verhalten erhielt er 1848 das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens und wurde in Nachfolge des späteren Kardinals Rauscher (s. d.) 1849–52 prov. Dir. der Oriental. Akad. In S.s Dion. fällt die Einführung des Unterrichts in engl. Sprache, die Vermehrung der Stiftungsplätze und die verpflichtende Besetzung von Akad.zöglingen als Konsulareleven in der Levante. 1852 zum Sektionsrat im ao. Dienst des Außenmin. zur „Verwendung beim Preß-Comité“ ernannt und zum Prüfungskoär. der theoret. Staatsprüfungskomm. für Statistik bestellt. Ab 1854 von Krankheiten heimgesucht, trachtete er sich durch hydropath. Selbstversuche zu heilen, verschlimmerte aber seine Leiden und erblindete völlig. S. betätigte sich in seinen „Denksteinen deutscher Geschichte des Jahres 1842“ (1843) mit 43 kleineren, kunst- und kulturhist. aussagereichen Aufsätzen über aktuelle Ereignisse auch als Chronist.

W. (auch s. u. bei Goedeke): Gedanken eines Lustreisenden, in: Feierstunden für Freunde der Kunst, Wiss. und Literatur, 1834, Nr. 16, 17, 23; Nachtstationen eines Reisenden, 1835; Lebensphasen, in: Album, ed. F. Witthauer, 1838; Ged., ebd.; Frauen-Emancipation, 1840; Gräfenberg. Einladungen. Mitth. Betrachtungen, 1841; V. Prießnitz. Eine Lebensbeschreibung, 1852, 2. Aufl. 1903; zahlreiche Gelegenheitsreden, Beitrr. in Z., u. a. Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst, 1825; etc.
L.: Dt. Ztg., 27. 6. 1873; Brümmer; Giebisch–Gugitz; Goedeke, s. Reg.bd.; Kosch; Wurzbach; V. Weiß v. Starkenfels, Die k. k. oriental. Akad. zu Wien ..., 1839, S. 35, 39; Die K. und K. Konsular-Akad. von 1754 bis 1904, 1904, S. 15 (mit Bild), 24, 87; H. Partisch, Österr. aus sudetendt. Stamme 1 (= Wiss. R. 5), 1961, S. 158; S. E. Koukolik, Stud. zur Geschichte der Wiener aus den Ländern der böhm. Krone ..., phil. Diss. Wien, 1971, S. 229; HHStA, Wien; UA, Innsbruck, Tirol; Mitt. Rudolf Agstner, Wien.
(M. Martischnig)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 56, 2002), S. 156f.
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